Das Berliner Eingewöhnungsmodell: Anwendung und wie strikt wird es gehandhabt?

Nach den Sommerferien geht es meist wieder los: die Eingewöhnungsphase in der Kita. Besonders beliebt ist dabei das Berliner Eingewöhnungsmodell – bei Eltern wie auch Erziehern. Doch was bedeutet das? Und welche Vorteile bietet das Berliner Eingewöhnungsmodell?

Eingewöhnung findet im Allgemeinen erst seit einiger Zeit sehr großen Zuspruch. Noch gar nicht so lange ist es so, dass sich aktiv Gedanken darum gemacht wird, wie man die Kinder am schonendsten an ihren neuen Alltag in der Fremdbetreuung gewöhnt.

Und mit diesem Gedanken fiel der Blick auf die verschiedenen entstandenen Eingewöhnungsmodelle. Deutschlandweit betrachtet arbeitet der Großteil der Einrichtungen (insbesondere in der U3- Betreuung) mit dem Berliner Eingewöhnungsmodell.

Dieses Modell soll den Einstieg für alle Beteiligten erleichtern. Kinder, Eltern und Erzieherinnen* sollen bei korrekter Handhabung enorm davon profitieren.

Hier ein kurzer Überblick über das Berliner Eingewöhnungsmodell:

Das Modell gliedert sich in vier Phasen, die alle Kinder durchlaufen müssen:

1. Phase: Grundphase

Diese Phase geht genau drei Tage. Es wird kein Trennungsversuch unternommen. Eine feste Begleitperson hält sich für ca. eine Stunde (möglichst täglich zur selben Uhrzeit) mit dem Kind in der Einrichtung auf. Während die Erzieherinnen vorsichtig, ohne zu drängen, Kontakt zu dem Kind aufnehmen und die Zeit zur Beobachtung der Beziehung zwischen Kind und Begleitperson nutzen, ist die Begleitperson relativ passiv mit im Raum, hilft dem Kind aber noch und übernimmt Dinge wie wickeln oder füttern noch mit.

2. Phase: 1. Trennungsversuch

In dieser Phase verlässt die Begleitperson (nach Verabschiedung) erstmals den Raum. Sie bleibt aber in der Nähe. Dies Aktion findet an dem vierten Tag der Eingewöhnung statt. Doch Vorsicht: Ist dieser Tag ein Montag, sollte es am 5. Tag der Eingewöhnung stattfinden. Jetzt gilt es die Reaktion des Kindes gut einzuschätzen um dann in der 3. Phase richtig zu handeln.

Ist das Kind weiterhin an der Umwelt interessiert und lässt sich bei Traurigkeit von der Erzieherin beruhigen, oder weint es unaufhörlich und lässt sich nicht trösten oder wirkt apathisch?

Wenn zweites der Fall sein sollte, wird die Mutter zurückgeholt und der Trennungsversuch wird abgebrochen.

Wichtig ist, dass diese Trennung bis auf maximal 30 Minuten ausgedehnt werden sollte. Nicht länger, auch wenn die Trennung offenbar problemlos verläuft.

Nach Beobachtung und Auswertung des Trennungsversuchs entscheidet man sich für eine kurze Eingewöhnungszeit (6 Tage) oder eine lange Eingewöhnungszeit (2-3 Wochen). Bei der langen Eingewöhnungszeit wird mit dem nächsten Trennungsversuch einige Tage gewartet.

3. Phase: Stabilisierungsphase

Ab dem vierten Tag übernimmt die Erzieherin immer mehr Aufgaben der Begleitperson, beispielsweise wickeln oder füttern. Die Begleitperson ist ab hier vollkommen passiv.

Die Begleitperson reagiert nur noch, wenn das Kind die Erzieherin noch nicht vollkommen akzeptiert hat. Bei der kurzen Eingewöhnungszeit wird die Trennungszeit ab dem 5. Tag immer weiter ausgedehnt, bis man die volle Betreuungszeit erreicht hat. Durchläuft ein Kind die lange Eingewöhnungszeit wird der nächste Trennungsversuch erst wieder am 7. Tag durchgeführt.

Wichtig ist, dass die Begleitperson bei der jeweils zweiten und dritten Trennung ebenfalls anwesend ist und die Einrichtung nicht komplett verlässt, sodass sie notfalls zügig dazu geholt werden kann.

4. Phase: Schlussphase

Das Kind ist in dieser Phase stabil in der Einrichtung angekommen. Die Begleitperson des Kindes verlässt die Einrichtung komplett (ist aber telefonisch zu erreichen). Die Eingewöhnung gilt dann als beendet, wenn das Kind die Erzieherin in jeder Situation als sichere Basis akzeptiert.

Dies gilt auch dann, wenn das Kind beim Abschied von der Bezugsperson noch weint, sich aber durch die Erzieherin beruhigen lässt und nach kurzer Zeit fröhlich spielt.

Soweit die Theorie: Doch wie sieht das Berliner Eingewöhnungsmodell nun in der Praxis aus?

Wir hatten das Glück, dass wir mit verschiedenen KiTa-Leitungen sprechen konnten, um über die Umsetzung des Berliner Modells im hektischen Alltag der Einrichtungen zu sprechen.

Und das Ergebnis dieser Befragungen ist ziemlich eindeutig: Alle sind begeistert von dem Berliner Modell, alle sehen einen hohen Nutzen in der konkreten Planung von Eingewöhnungen und alle machen es eben doch nicht so streng, wie es der Plan vorsieht:

In jeder Phase und bei jedem Schritt gibt es nämlich Abweichungen. Die eine Einrichtung weicht hier ab, bzw. dehnt die Planung in eine Richtung aus, während die andere Einrichtung dann wo anders abändert. Die häufigsten Unterschiede zwischen Theorie und praktischer Ausführung des Berliner Modells liegt in den Einrichtungen jedoch bei folgenden Punkten:

  • Die Eingewöhnungszeit wird verkürzt und der erste Trennungsversuch findet schon vor dem 3. Tag statt.
  • Der erste Trennungsversuch dauert länger als 30 Minuten.
  • Die Eingewöhnung findet nicht immer zur gleichen Zeit statt, ganz im Gegenteil: Viele setzen sogar bewusst auf unterschiedliche Zeiten, um dem Kind den kompletten KiTa- Alltag näher zu bringen: An einem Tag Frühstück, am nächsten Tag Sitzkreis, am Tag darauf nur Freispiel.
  • Es gibt keine strikte Trennung zwischen kurzer und langer Eingewöhnungszeit. Die Trennungsversuche werden individuell gehandhabt.

Als Konsequenz muss man ganz klar sagen:

Flexibilität und Individualität werden hier unwahrscheinlich großgeschrieben. Die Kinder werden beobachtet und so wird individuell entschieden, wie die Eingewöhnung am besten funktionieren wird, stets mit dem Berliner Modell im Hinterkopf, aber eben nicht strikt darauf basierend.

Insbesondere die Erfahrung der Pädagoginnen* führt zu dem Ergebnis, dass die Eingewöhnung trotz diverser Abweichungen vom Modell alle erfolgreich verlaufen. Das kann man nämlich noch als Feedback aus den Einrichtungen berichten: Jede Einrichtung empfindet die Eingewöhnungszeit als besonders heikel und anstrengend und dennoch fährt jede einzelne Einrichtung mit ihrer persönlichen Auslegung des Berliner Modells gut.

Als Tipp für die Konzeptionsarbeit sei aber vielleicht noch gesagt: Die meisten Einrichtungen mit denen wir gesprochen haben, haben in ihrem Konzept die Eingewöhnung mit dem Berliner Modell verankert.

Das ist streng genommen ja so nicht der Fall. Die Lösung einer Einrichtung gefiel uns da sehr gut: Sie schrieb auf ihrer Website unter dem Reiter „Eingewöhnung“, dass die Eingewöhnung in Anlehnung an das Berliner Eingewöhnungsmodell stattfinde. Was so viel bedeute, dass man sich Flexibilität und Individualität bei jedem einzelnen Kind vorbehalte.

Was haltet Ihr als Erzieherin bzw. Erzieher vom Berliner Eingewöhnungsmodell? Wie handhabt Ihr das? Welche Vorteile seht Ihr beim Berliner Eingewöhnungsmodell?

*Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen & personenbezogenen Wörtern wurde hier die weibliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

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