Geschwisterkinder: Zusammen oder einzeln betreuen?

Es scheint so praktisch: Man betreut ein Kind und nach zwei Jahren kommt dann das Geschwisterkind in die Gruppe dazu. Eine tolle Sache für alle Beteiligten… Oder? Dieser Frage wollen wir im folgenden Text auf den Grund gehen.

Zunächst ist zu erwähnen, dass es verschiedene Szenarien gibt, die alle unterschiedliche Auswirkungen auf die Situation und somit auf das Gruppengeschehen haben.

Im Wesentlichen kann man sich hier drei Konstellationen vorstellen:

1)     Man betreut ein Kind schon einige Zeit und dann kommt das kleine Geschwisterkind in dieselbe Gruppe. Somit sind zwei Kinder einer Familie unterschiedlichen Alters im gleichen Kindergarten.

2)     Beide Kinder (unterschiedlichen Alters) starten gleichzeitig in den Kindergarten.

3)     Zwillinge bzw. Mehrlinge beginnen ihre Kindergartenzeit.

Bei allen drei Konstellationen kommt sofort die Frage auf:

Betreut man die Kinder zusammen in einer Gruppe, oder ist es sinnvoll, oder gar Pflicht, dass diese Kinder zwar im gleichen Kindergarten, nicht aber in der gleichen Gruppe betreut werden?

Bei einigen Einrichtungen ist mittlerweile fest im Konzept verankert, dass Geschwisterkinder in unterschiedliche Gruppen gehen müssen. Ausnahmen werden hier nicht gestattet, auch wenn die Argumente noch so gut erscheinen. Doch warum ist das so?

Schauen wir uns zunächst die positiven Aspekte einer gemeinsamen Betreuung von Geschwisterkindern an:

Für die Eltern 

Die Eltern sind meist auch die Instanz, die ihre Kinder bevorzugt in eine Gruppe stecken möchten. Natürlich, denn für die Eltern bedeutet dies eine enorme Erleichterung. Alles, was mit der Betreuung zu tun hat, findet halt sozusagen nur einmal statt. Sie können beide Kinder zur gleichen Zeit hinbringen und abholen. Sie haben nur eine Anlaufstelle und müssen nicht mehreren Gruppen oder gar zu mehrere Einrichtungen anfahren. Das reduziert den elterlichen Stress.

Außerdem muss auch alles Organisatorische nur einmal stattfinden.

Hier sind Dinge wie Geld für Ausflüge zu bezahlen, oder Ausflüge im Allgemeinen zu erwähnen. Beide Kinder nehmen am gleichen Ausflug teil, weshalb das Geld für jenen Ausflug für beide Kinder zum selben Zeitpunkt bezahlt werden muss. Auch Elternabende sind wesentlich einfacher. Denn schließlich findet ein Elternabend für beide Kinder statt. Gehen die Kinder in unterschiedliche Gruppen, führt es in der Regel zu zwei Elternabenden, die besucht werden sollten. Womöglich finden die beiden Elternabende der unterschiedlichen Gruppen dann auch noch zum gleichen Zeitpunkt statt. Dann heißt es: Den Partner mit ins Boot holen, sodass beide Kinder einen Vertreter für sich beim Elternabend haben. Das Problem hier ist offensichtlich: Es liegt dann an den Eltern, dass die Kinder in dieser Zeit anderweitig betreut und beaufsichtigt werden.

Für die ErzieherInnen

Auch für die ErzieherInnen birgt die Betreuung von Geschwisterkindern so einige positive Aspekte. Beginnend bei der erleichterten Eingewöhnung: Es ist immer einfacher ein Kind einzugewöhnen, wenn dieses schon eine feste Konstante im Kindergarten hat. In diesem Fall den Bruder oder die Schwester. Das gilt für Kinder die gleichzeitig starten, die sich dann vom ersten Tag an gegenseitig als Unterstützung haben, aber eben auch für die kleinen Geschwister, welche zum größeren Geschwisterkind in die Gruppe nachrücken. Gerade diese Eingewöhnung ist ein absoluter Selbstläufer. Das kleine, neue Kind hängt sich an das große Geschwisterkind und fühlt sich somit direkt wohl und gut aufgehoben. Oft kennt das kleinere Kind auch schon die ErzieherInnen und ein Teil der Kinder, weil es das größere Kind oft mit Mama oder Papa in den Kindergarten gebracht hat.

Der Vorteil ist auch hier, dass man alles nur einmal hat: Betreut man Geschwister in der Gruppe, minimiert sich die Elternzahl. Betreut man beispielsweise drei Geschwisterpaare in einer Gruppe, trifft man statt 25 Eltern eben nur 22 – und das macht vom Arbeitsaufwand schon etwas aus. Denkt man nur mal beispielsweise an Briefe, die verteilt werden oder an die Terminvergabe bei Elternsprechtagen.

Gerade wenn ein kleineres Geschwisterkind nachrückt, ist es außerdem gut, dass man als Einrichtung und Gruppe die Familie schon kennt. Umgekehrt kennt die Familie die Regeln der Gruppe bereits und auch das vereinfacht die gemeinsame Arbeit. Es läuft also einfach so weiter, auch wenn dann das Geschwisterkind dazu kommt.

Für die Kinder

Auch für die Kinder ist die Welt der Kita manchmal gar nicht so leicht. Gerade wenn sie neu sind, müssen sie sich erst orientieren und fühlen sich häufig überfordert und allein.

Wie schön, wenn da ihr Geschwisterkind als größter Halt in der Nähe ist. Geschwister sind so vertraut untereinander, dass sie einander Schutz bieten und Stärke geben, wenn es um Neuland wie den Kita-Alltag geht.

Auch darüber hinaus sind sie füreinander da. Letztlich zieht sich bei einer gemeinsamen Betreuung immer ein unsichtbares Band durch den Gruppenraum. Ein Band, das die Geschwister miteinander verbindet. Das stärkt die Geschwisterbeziehung und macht die Kinder stark fürs Leben, weil sie permanent Rückhalt und zugleich Vertrautheit erfahren. Die meisten Geschwisterkinder wünschen sich, dass sie gemeinsam betreut werden.

Über diesen Wunsch der Kinder hinaus, gibt es für alle drei Parteien ebenso die negativen Aspekte, die gegen den gemeinsamen Besuch einer Gruppe von Geschwisterkindern sprechen:

Für die Eltern

Tatsächlich sind die direkten negativen Aspekte für die Eltern sehr dürftig.

Hier könnte man höchstens die Auswirkungen der Geschwisterbetreuung auf die Kinder erwähnen, schließlich bleibt dieses Konzept auch bei den Kindern nicht wirkungslos und könnte somit auch Auswirkungen auf die familiäre Situation haben. Ob Eltern mit diesen Auswirkungen immer so gut leben können, ist fraglich.

Als Beispiel: Eines der beiden Kinder ist in der Gruppe sehr beliebt, während das andere Kind nicht so leicht Anschluss findet. Das weniger beliebte Kind bekommt tagtäglich mit, wie sein Geschwisterkind Spielverabredungen mit Kindern aus der gemeinsamen Gruppe hat. Würde dieses Kind eine andere Gruppe oder gar einen anderen Kindergarten besuchen, hätte es nicht den direkten Vergleich davon, dass sie selbst weniger Anschluss finden als ihre Geschwister. Natürlich ist das für das weniger beliebte Kind nicht schön – wodurch das Ganze zu einem Problem der Eltern wird.

Hierzu aber später mehr.

Für die ErzieherInnen

Auch wenn es für die ErzieherInnen im ersten Moment ebenfalls nur positiv erscheint, Geschwisterkinder gemeinsam in einer Gruppe zu betreuen, gibt es auch hier einige Aspekte die dagegen sprechen:

Beginnend damit, dass sich die Geschwister, je nach Charakter der Kinder, verbünden könnten.

Je nach Charakter der Kinder, könnten sich die beiden Geschwister so stark aneinanderbinden, dass von außen niemand zu ihnen durchdringen kann. Als ErzieherIn kommt man somit an beide einzeln kaum heran. Durch diese Verbindung könnte es ebenfalls dazu kommen, dass sie sich gegen andere Kinder stellen, was ein großes Konfliktpotenzial birgt. Und natürlich wäre es auch denkbar, dass sich die Kinder gemeinsam gegen die ErzieherInnen stellen. Das würde in der täglichen Arbeit einen enormen Mehraufwand bedeuten. Umgekehrt könnte es auch passieren, dass sich die Geschwister nicht besonders gut verstehen und das Gegenteil von Verbindung der Fall ist: Sie könnten sich permanent streiten.

Hierdurch müssten die ErzieherInnen viel Arbeit investieren, um Geschwisterstreits zu schlichten. Und diese können, wie zu Hause, langwierig, laut und anstrengend sein. Eine Schlichtung ist hier als ErzieherIn kaum möglich, ohne dass in gewisser Weise die Mutterrolle für die Geschwisterkinder übernommen werden muss.

Für die Kinder

Die negativen Aspekte für die Kinder schlagen am stärksten ins Gewicht:

Kinder haben unterschiedliche Charaktere und sind auch als Geschwister in ihrer Entwicklung ganz unterschiedlich fortgeschritten. Jedes Kind hat das Recht auf individuelle Entwicklung. Es sollte seine eigenen Erfahrungen machen und selbstständig lernen können, um so in der eigenen Persönlichkeit gestärkt zu werden. Jedes Kind braucht seinen eigenen Raum und sein eigenes Umfeld, um sich frei entfalten zu können.

Dies ist bei einer Betreuung gemeinsam mit dem Geschwisterkind schwer möglich. Hier muss man wieder unterscheiden, ob die Kinder gemeinsam oder nacheinander in die Kitagruppe starten.

Für den Fall, dass sie gemeinsam starten, werden die zwei, egal ob Zwillinge oder nicht, als eine Einheit betrachtet. Von den ErzieherInnen, sowie von den anderen Kindern. Sie lernen sich gemeinsam zurecht zu finden und werden auch gemeinsam versuchen Freundschaften zu schließen, was als Doppelpack oftmals gar nicht so leicht ist. Die Individualität geht gänzlich verloren und meist hat das besonders für ein Kind des Doppelgespanns negative Auswirkungen.

Eines ist jedoch sicher: Keines der Kinder lernt, wie es für ihr Alter normal wäre, auf eigenen Beinen zu stehen. Dadurch müssen sie ein großes Stück Selbstständigkeit und auch Selbstvertrauen einbüßen.

Starten die Kinder nacheinander, das heißt ein jüngeres Geschwisterkind kommt zur bestehenden Gruppe hinzu, sieht das Ganze noch ein bisschen schwieriger aus. Wieder abhängig vom Charakter können viele verschiedene Szenarien entstehen, die aber alle samt nicht optimal sind.

Nehmen wir mal das Beispiel, dass sich das größere Geschwisterkind dazu verpflichtet fühlt, permanent auf das kleinere aufzupassen. Diese Verantwortung zieht sich dann durch die komplette gemeinsame Kita-Zeit. Das hat zur Folge, dass das kleinere Kind nicht dazu in der Lage ist, selbstständig und alleine den Kindergartenalltag zu bestreiten, während sich das ältere Kind nur noch um das kleinere kümmert und somit keinen eigenen Interessen nachgeht.

Beide Kinder sind also nicht in der Lage als Individuen zu handeln. Es entsteht eine gefährliche Abhängigkeit. 

Ein weiteres denkbares Szenario, wäre, dass die Kinder unabhängig vom Alter unterschiedliche Beliebtheitsgerade haben könnten. Dies führt schnell zu Streit und Frust. Ein Konkurrenzkampf unter den Geschwistern ist denkbar und würde in getrennten Gruppen vermieden werden können.

Wenn ein Kind dieser Konstellation schließlich den Kindergarten verlässt, weil es beispielsweise eingeschult wird, ist das andere Kind plötzlich allein. Der sichere Hafen ist weg und plötzlich muss es alleine zurechtkommen und alles nachholen, was in der Zeit davor verpasst wurde. Das ist auch nicht einfach.

Fazit

Die gemeinsame Betreuung von Geschwisterkindern in einer Gruppe hat durchaus positive Seiten – insbesondere für die Eltern und die ErzieherInnen. Dennoch sollten die negativen Auswirkungen dieser Form der Betreuung bei der Frage nach gemeinsamer oder getrennter Betreuung im Fokus stehen.

Als Eltern oder ErzieherInnen sollten wir uns immer auf das bestmögliche Outcome für die Kinder konzentrieren.

Dabei sollte die Entwicklung und die Bedürfnisse des jeweiligen Kindes im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet in den meisten Fällen, von einer gemeinsamen Betreuung von Geschwisterkindern abzusehen. Jedoch muss man auch hier den Einzelfall sehen und individuell entscheiden. Sicherlich gibt es auch Situationen und Umstände, die dafür sorgen, dass die Geschwisterkinder zusammen betreut werden sollten. Die Umstände hierfür sind beispielsweise bei Geschwisterpaaren einer geflüchteten Familie gegeben, die ohne Deutschkenntnisse in der Einrichtung aufgenommen werden. Hier würde es nur wenig Sinn machen die Kinder zu trennen und somit noch weitere Traumata in Kauf zu nehmen. Und genau aus diesem Grund, weil die Umstände und Ausgangssituationen stets unterschiedlich sind, spreche ich mich gegen ein generelles Betreuungsverbot von Geschwisterkindern in einer Gruppe aus.

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Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

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