Wie läuft’s mit der Eingewöhnung? Alltagsanekdote Teil 19

Die Eingewöhnung – für Kinder und Eltern meist keine leichte Phase. Für die Erzieherinnen und Erzieher allerdings auch nicht! Davon kann Manuela ein Lied singen. Jedes Jahr nach den Sommerferien kommen die Eingewöhnungen geballt auf das Kita-Team zu. Mit manchem Kind will es dabei so gar nicht klappen…

Eingewöhnung in die Kita

Wie sagt man so schön: „Neues Jahr, neues Glück!” Ein Satz der passender nicht sein könnte, wenn man in einer pädagogischen Einrichtung arbeitet, bei der Jahr für Jahr neue Gesichter aufgenommen werden. Dabei haben wir doch gerade noch vor dem Urlaub mit riesiger Erleichterung die größten Chaoten in die Schule entlassen. So kommen wir nach den Ferien voller Spannung in die Kita, wer da nun alles dazustoßen mag.

Und weil der Urlaub ja so schön erholsam war, startet in diesem Zuge das neue Jahr natürlich mit der stressigsten Phase des gesamten Kita-Jahres: Eingewöhnungen. Igitt!

Eingewöhnungen sind absolut undankbar. Denn wir können es als Erzieher gar nicht richtig machen. Wir sind die Doofen. Wir nehmen die Kinder an uns und machen somit zum einen die Mütter und Väter traurig und zum anderen auch die Kinder, denn die wollen schließlich nicht bei uns sein. Sie wollen lieber bei ihrer Mutti oder dem Vati sein. Na klar, wir sollen es richten. Das Spiel kann man nur verlieren.

Mit dieser Sache wird uns Erziehern so richtig schön aufs Brot geschmiert: „Egal, was Du tust, wie sehr Du Dich auch anstrengst… es gibt Ärger.“ Entweder jetzt oder halt später.

Immer Stress mit der Eingewöhnung?

Falls die Eingewöhnung super läuft und das Kind ein Selbstläufer ist, die Eingewöhnung also beinahe überflüssig wäre, freust Du Dich für den Moment riesig. Trotzdem weißt Du, dass es im Nachgang Ärger geben wird. Entweder kippt das Kind oder es hat eben absolut keine gute Bindung (so sagt es die Pädagogik) und Du hast infolgedessen möglicherweise irgendwann ein sehr schwieriges Kind.

Naja, oder Du hast direkt die harte Variante und die Eingewöhnung ist die Hölle. Ja, dieser Vergleich ist großartig.

Was bringen die Eingewöhnungstipps wirklich?

Natürlich gibt es gewisse Eingewöhnungsmodelle, die das Ganze leichter machen sollen und die, wenn man sie nur richtig befolgt, so grandios funktionieren, dass keine einzige Träne mehr kullert. Wirklich?

Dann gibt es viele Tipps, wie man persönlich als Mensch auftreten und handeln sollte in so einer heiklen Phase der Eingewöhnung. Dazu habe ich eine ganz einfache Theorie: Entweder man kann es oder man kann es nicht. Und meine 2. Theorie: Man kann es nur, wenn man auch die ein oder andere Träne verkraftet. Ich gehöre zu den Erzieherinnen, die es nicht können. So ganz und gar nicht.

Für mich sind Eingewöhnungen so schlimm, dass ich den Urlaub davor schon nicht genießen kann, weil ich jede Nacht davon träume, wie es nach dem Urlaub sein wird: Laut! Und in erster Linie unglücklich. Für alle Beteiligten.

Gut vorbereitet in die Eingewöhnung

Wie dem auch sei. In diesem Jahr sollte alles anders sein, war es aber nicht. Aber hey, meine Motivation, es diesmal besser zu machen, war zumindest voll da: Morgen ist der erste Tag nach den Ferien. In aller Ruhe studiere ich nochmals die besten Tipps zur Eingewöhnung und bin wirklich frohen Mutes, dass es in diesem Jahr besser klappt als in all den Jahren zuvor.

Ich weine innerlich, als ich am nächsten Morgen in die Kita schreite, aber ich bin motiviert. Diese Motivation fliegt schon in wenigen Sekunden davon, als mein erstes Eingewöhnungskind den Raum betritt.

Ich meine, was ist das überhaupt für ein blödsinniger Ablauf: 15 neue Kinder, alle unter 3 Jahren kommen zusammen. Jedes Kind soll (so wollen es die Modelle) einen festen Bezugserzieher bekommen. Gut nur, dass die Bezugserzieher vorher festgelegt werden. Ich habe also 5 Kinder, die ich eingewöhnen soll und die zugleich gezwungen sind, mich von uns 3 Erziehern in der Gruppe am liebsten zu mögen. Wäre es nicht logischer, wenn die Kinder sich ihre Bezugserzieher je nach Sympathie aussuchen könnten?

Mein erstes Bezugskind ist mir gänzlich unsympathisch. „Schade,“ denke ich noch. „Wirklich schade! Es hätte so gut sein können.“

Die Mutter zu dem Kind ist mir definitiv sympathischer, so auf den ersten Eindruck. Schade nur, dass ich nicht sie sondern ihr Kind eingewöhnen soll.

Auf Tuchfühlung mit dem Eingewöhnungskind

Kurze Beschreibung: Es handelt sich um Lena. Lena ist miniklein, dafür kräftig. Sie ist 1,5 Jahre alt und spricht noch keine richtigen Wörter. Sie teilt sich trotzdem ständig mit, was die Sache nicht einfacher macht. Denn sie schreit. Undefinierbar, unerträglich, schreit sie. Dazu ist ihr Blick relativ emotionslos und grimmig.

Ich bin genervt, obwohl ein Trennungsversuch noch komplett in weiter Ferne ist. Richtig gehört: Jedes Eingewöhnungsmodell besagt, dass die Mutter die ersten Tage mit dem Kind zusammen in der Kita bleibt. Wie zur Hölle soll eine Erzieherin ihren Job richtig machen und ein Kind als Bezugsperson an sich binden, wenn die Mutter des Kindes in 2 Metern Entfernung sitzt und alles gaaaanz genau beobachtet? Mich und das Kind! Und uns zusammen und die anderen Kinder und die anderen Erzieher und überhaupt alles!

Ich sage, es geht, aber es ist wahnsinnig schwer, insbesondere dann, wenn ich dieses Kind von der ersten Sekunde an nicht besonders gut leiden kann. Ich schäme mich nicht, das auszusprechen. Erzieher sind Menschen und Menschen finden andere Menschen eben sympathisch oder auch nicht. Das ist auch bei Kindern so. Die Kunst ist, dann professionell damit umzugehen. Natürlich kann ich das, aber innerlich erschwert das die Arbeit ungemein.

Lenas Eingewöhnung geht weiter

Es ist also der erste Tag. Mutter und Tochter sind für eine Stunde da und es ist mein Job Lena davon zu überzeugen, dass ich cooler bin als ihre Mama. Ich hab tolles Spielzeug und die Mama nicht. So die Theorie. Ich setze mich auf den Boden und beginne, mit Bauklötzen zu spielen. Lena interessiert das kein Stück. Sie sitzt auf dem Schoß ihrer Mama, schreit zwischendurch mal rum und ärgert die Mutter bis aufs Äußerste. Sie zieht ihr an den Haaren, haut sie, kneift sie und kratzt gelegentlich. Und die Mutter? Macht nichts. Lässt das über sich ergehen. Manchmal kommt ein leises „Lena, lass das.”

Und es wird klar, Lena findet es super: Eine Stunde kann sie mit der Mama machen, was sie möchte. Das ist auf jeden Fall hundertmal cooler als mein Angebot, mit den Bauklötzen zu spielen.

Die Mama wird mir auch unsympathischer.

Nach 30 Minuten absolutem Desinteresse frage ich Lena, ob sie bei mir mitmachen möchte. Sie schreit. Ich glaube, das heißt was Gutes, es nervt mich aber. Nun kann ich sie offenbar überzeugen. Ich bin übertrieben freundlich, obwohl man das ja nicht soll und versuche, dieses Kind für mich zu gewinnen. Dabei werde ich mir selbst auch unsympathischer.

Wie eine Theatershow, nur für dieses eine Kind. Gruselig. Sie fängt an, mich mit Bauklötzen zu hauen. Ich bin genervt.

Ihre Mama sagt aus dem Hintergrund: „Oh, das ist ein sehr gutes Zeichen. So zeigt sie ihre Zuneigung.” Sie lacht. Ich nicht.

Ich sage Lena, dass ich nicht gern gehauen werde. Sie schreit.

So „spielen” wir noch ein bisschen weiter und als die erste Stunde rum ist, bin ich heilfroh. Es folgen die jeweils ersten Stunden mit 4 weiteren Kindern. Das ist Mord! Ernsthaft.

Kita-Eingewöhnung über mehrere Tage

An den nächsten 2 Tagen baue ich langsam eine klitzekleine Mini-Bindung zu Lena auf. Eine Bindung, die mit Sicherheit nicht reichen wird, um der Trennung am 4. Tag stand zu halten. Ich bin frustriert.

Es folgt also der Trennungsversuch an Tag 4 und (Überraschung!) er scheitert kläglich. Die Mutter verabschiedet sich vorbildlich und geht. Lena schreit und weint gleichzeitig. Wieder gruselig. Ich gebe mir Mühe, sie zu beruhigen. Sie haut mich. Ich versuche es weiter. Sie schlägt um sich.

Ich versuche es weiter. Sie würgt und erbricht sich. Jawoll! Das liebe ich.

Ach ja, nebenbei laufen hier noch so circa 10 andere Eingewöhnungskinder rum, die ebenfalls anfangen, zu weinen. Oh, wie ich diesen Job liebe. Ich hole die Mutter von Lena zurück und wische das Erbrochene weg.

„Sie ist noch nicht so weit,“ so sagt es das Modell. Deshalb geht alles wieder von vorne los: 3 Tage lang jeweils eine Stunde mit der Mama.

Beim nächsten Trennungsversuch drückt Lenas Mama mir Schokolade in die Hand: „Wenn sie anfängt zu weinen, gib ihr das schnell. Mit Essen hört sie immer auf, zu weinen.”

Ich bin so entsetzt, dass ich gar nicht mehr reagieren kann. Oh Gott, mir ist das alles so unsympathisch. Ich glaube, ich wechsle den Job!

Wie dem auch sei, die Mutter geht. Das Kind schreit und lässt sich von mir nicht beruhigen. Natürlich nicht. Ich gebe keine Schokolade und hole die Mutter zurück. Uuuuund: Wieder von vorne.

An Lenas Eingewöhnung gescheitert?

Das machen wir nun 6-mal so. Und gefühlt sind wir schon wieder mitten im Jahr. Alle Kinder sind bereits völlig erfolgreich eingewöhnt. Nur Lena nicht. Sie schreit und weint und ich bin mit meinen Nerven am Ende. Nachts träume ich von dem Geschrei.

Ich kriege es wieder nicht gebacken. Motivation hin oder her. Ich hasse es. Ich will nicht mehr!

Am nächsten Tag frage ich meine Kollegin, ob sie das für mich übernehmen kann. Sie findet Lena irgendwie witzig, sagt sie immer. Wenn meine Kollegin in der Nähe ist, kann Lena sogar sowas wie ein Lächeln hinbekommen, wo sie doch sonst nur missmutig guckt. Meine Kollegin übernimmt!

5 Tage später ist das Kind eingewöhnt. Ohne Worte.

Seid Ihr auch schon einmal an einer Eingewöhnung bzw. einem neuen Kita-Kind „gescheitert“? Wir möchten gern Eure Eingewöhnungsgeschichten hören, teilt sie auf unserem Instagram- oder Facebook-Kanal.

Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

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