Urlaubsreif nach dem Urlaub- Alltagsanekdote Teil 8

Wie vergnügt, gelassen und zufrieden schaue ich auf die letzten drei Wochen zurück. Urlaub. Was für ein schönes Wort. Es klingt so rund, so unbekümmert… Es klingt nach Sommer, Sonne, Eis am Stiel, Meer, ach, ihr wisst schon! Ihr wisst alle was ich meine. Jedenfalls blicke ich darauf zurück und stelle mit Entsetzen fest, dass diese Zeit, die am besten niemals enden sollte, sich leider doch langsam einem Ende zuneigt.

Der Wecker klingelt, es ist 6:30 Uhr, mitten in der Nacht also, und ich muss mich tatsächlich gleich auf den Weg zur Arbeit machen. Ich hoffe, ich finde den Weg dahin überhaupt noch. Mir ist, als habe sich mein Gehirn in den letzten Wochen auf 0 gesetzt.

Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub ist eh hart, das weiß jeder. Aber der erste Arbeitstag nach den Sommerferien in der KiTa ist doppelt so hart.

Denn auch die rund 50 Kinder haben ihr Gehirn in den letzten Wochen ebenfalls auf 0 gesetzt. Und dieser Vorgang ist bei Kindern viel fataler als bei uns Erwachsenen. Warum? Ganz einfach… Sie haben alles vergessen. Alle Regeln, alle Ritualen müssen neu erlernt werden. Ganz zu schweigen von ihren Fähigkeiten sich selbst die Schuhe an- oder die Jacken auszuziehen. Alles weg. Mist. Da heißt es die Arbeit von einem Jahr nochmals im Schnelldurchgang an einem Tag zu wiederholen. Und dann bringt dieses „auf 0 setzen“ noch was mit sich: rund die Hälfte dieser 50 Kinder haben ebenfalls verlernt, wie man die Mami verabschiedet. Ihre Lösung ist: Gar nicht! Und somit schreien bereits 25 Kinder an der Tür.

So und nun ist noch erwähnenswert, dass zu diesen 50 „alten“ Kindern ja auch noch 25 „neue“ Kinder kommen. 25 Kinder, die diese KiTa nur ein einziges Mal zum Schnuppern betreten haben, was sie im Übrigen natürlich in den letzten drei Wochen auch wieder vergessen haben.

Noch genauer muss das Szenario hier glaube ich nicht beleuchtet werden.

Dieser Tag steht mir also heute bevor.

Ich freue mich so mittelmäßig und trinke erstmal ganz in Ruhe einen Kaffee. Die absolute Ruhe, vor dem absoluten Sturm, dem ich nicht entgehen kann.

Nach dem Kaffee düse ich los. Auf der Autofahrt höre ich sowas wie eine Meditation. Ich weiß nicht wer sich das ausgedacht hat. Es ist ein permanentes Meeresrauschen, was herrlich ist und einen in den Urlaubsmodus versetzt – Das kann ich gebrauchen… der Urlaub scheint schon wieder so fern. Aber da Urlaubsmodus beim Autofahren auf Grund der hohen Gefahr einzuschlafen, zu gefährlich erscheint, gibt es in unregelmäßigen Abständen einen lauten Gong. Mir scheint dieser Gong ist gefährlicher als der Sekundenschlaf, der sich durch das Meeresrauschen einstellen könnte. So ein Gong mitten im Urlaub versetzt einen ja in Angst und Schrecken und ich zucke jedes Mal sowas von dermaßen zusammen, dass das Auto durch den Schreck nahezu automatisch gegen einen Baum gelenkt wird. Nun gut. Ich komme jedenfalls auf der Arbeit an und bin halbwegs entspannt, entscheide mich aber diesen Mist nie wieder zu hören. Eine schlechte Vorbereitung für diesen Kampftag. Im nächsten Jahr werde ich es mit Affirmationen, à la „du schaffst das“, „du bist toll“ und „du bist stark“, probieren.

Ich betrete die KiTa, bin noch ziemlich früh und eine der Ersten. Sofort vernehme ich den Eigengeruch des Gebäudes und ich fühle mich direkt wohl und so, als ob ich nie weg gewesen wäre. Dann stelle ich die vielen kleinen Stühle von den Tischen herunter und positioniere mich dann an der Tür. Drei Kniebeugen, dreimal tief durchatmen: Kann losgehen!

Anstuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuurm!

Eltern kommen, Kinder kommen, Eltern gehen, Kinder kommen, Eltern kommen, Eltern gehen. Es ist als wollten sie hier einfallen. Jeder trägt einen riesigen Batzen Klamotten mit sich herum.

Auf jeden Fall sehe ich jedes ankommende Kind schon aus der Ferne und ich kann dann schon erahnen, was mich an der Tür erwartet.

Kurzer Einblick:

„Hallo ihr Zwei“ (Ich begrüße Hannes und seine Mutter)

„Hallo! Ich habe hier einige Sachen für Hannes dabei: eine neue Matschhose, Gummistiefel, neue Hausschuhe, einen Schwung Wechselkleidung und Sonnencreme und einen neuen Sonnenhut, ach ja und noch mal ein paar Pampers. Ist auch eine neue Größe. Er hat in den letzten drei Wochen so einen riesigen Schub gemacht. Trocken ist er leider noch nicht. Aber wir sind da dran. Ist ja jetzt ganz praktisch so im Sommer, da kann man…“

Ich unterbreche die Mutter von Hannes in ihrem Redeschwall, weil sich gerade die Mutter eines neuen Kindes an uns vorbeidrängeln will. Das Kind scheint hochmotiviert und tritt mir erstmal gegen das Bein. „Guten Morgen Jonte! Du bist dumm!“, mit diesen Worten und den entschuldigenden Blicken der Mutter gehen Mutter und Kind an mir vorbei und ich bin insgeheim wahnsinnig froh, dass dieses Kind nicht in meiner Gruppe ist.

Gerade als ich mich wieder Hannes Mutter widmen möchte, kommen die Zwillinge Anna und Lena aus meiner Gruppe mit ihrer Mutter auf mich zu.

„Hallo ihr drei, ich hoffe ihr hattet schöne Ferien?“, sage ich noch, als Anna dermaßen in Tränen ausbricht und uns allen zu verstehen gibt, dass sie heute nicht hierbleiben möchte. Hannes währenddessen zappelt ungeduldig an meinem Hosenbein herum. Als ich gerade Anna, um sie zu trösten, hochnehmen möchte, drückt mir Hannes‘ Mama deren halben Hausstand in die Hände und verabschiedet sich ein wenig erbost, dass sie nicht so recht zu Wort kommen durfte. Hannes flitzt an mir vorbei und ich stehe da mit einem Haufen Klamotten in den Armen, einer weinenden Anna und der ungeduldigen Lena.

In diesem Moment kommt Arne. Arne schreit schon auf dem Parkplatz so laut, dass sich eigentlich niemand mehr unterhalten kann. Er hat so überhaupt keine Lust und wehrt sich mit Händen und Füßen. Die Mutter schiebt den strampelnden, schreienden Jungen an mir vorbei, stellt seine Tasche mit Wechselsachen neben der Tür auf den Boden, dreht sich um und rennt zurück zum Parkplatz. Dabei ruft sie: „Sorry, ich muss zur Arbeit!“ Okay. Ich muss nun definitiv die Tür schließen, sonst ist der Junge weg. Über alle Berge.

Na… das wäre ja mal ein erfolgreicher erster Arbeitstag! Ich sehe schon die Schlagzeile: „Kind flieht aus KiTa!“

Ich ziehe also alle draußen stehenden Personen hinein und schließe die Tür hinter uns. Arne hat sich wutentbrannt auf den Boden neben der Tür geschmissen und wird da so schnell auch nicht weggehen wollen. Die Tür ist also gerade Gefahrenzone. So ein Pech aber auch, dass noch ca. 40 Kinder diesen Eingang in wenigen Minuten oder Sekunden benutzen müssen.

Zunächst werfe ich die Klamotten von Hannes auf den Boden. So – Hände frei! Dann schicke ich Lena in den Gruppenraum, nehme Anna auf den Arm und bitte die Mutter, sich zu verabschieden. Anna bleibt auf meinem Arm hängen, die Mutter geht. Tobias kommt. Ich stelle mich geschickt vor Arne, dass der nicht in der Lage ist, abzuhauen. Tobias trägt jetzt eine Brille: „Hey Tobias! Hattest du schöne Ferien? Die Brille sieht ja cool aus!“ Die Mutter will antworten, geht aber nicht. Ich verstehe sie nicht. Neben Annas Weinen auf meinem Arm und dem strampelnden Arne auf dem Boden, kommen nun noch 5 weitere Kinder, die gleichzeitig begrüßt werden wollen. Uff!

Dieses Spektakel zieht sich noch 30 Minuten und danach bin ich reif… reif für den Urlaub.

Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

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