Schnee in der Kita – Alltagsanekdote 22

In dieser neuen Alltagsanekdote geht es um Schnee in der Kita…, also im wahrsten Sinne des Wortes IN der Kita. „Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus!“ – genau das ist das Motto, wenn Kita-Kinder Schnee sehen. Insbesondere der erste Schnee löst bei den Kleinsten hysterische Anfälle inklusive Schnappatmung aus. Dabei ist es egal, welche Umstände gerade herrschen, sprich welche Tages- oder Nachtzeit wir haben, ob es gerade passt, oder eben nicht. Der Teil „kommt alle aus dem Haus“ MUSS erfüllt werden und zwar sofort!

Gut ist es, wenn jenes besondere Ereignis, nämlich der erste Schnee des Jahres, auf einen Tag am Wochenende fällt. Dann können die Eltern das ausbaden. Fällt der erste Schnee im Laufe eines Vormittags, während die Kinder in der Kita sind, wird es hektisch. Die Kita-Leitung ruft den Ausnahmezustand aus und es gilt: Rette sich wer kann! So auch an jenem Morgen, um den es hier geht.

Die Überraschung: Schnee in der Kita

Ich fahre mit dem Auto zur Kita und bin absolut nicht vorbereitet. Dass die Menschen im Radio seit Tagen erzählen, dass heute der dicke Wintereinbruch kommt, habe ich geschickt ignoriert. Bis jetzt, denn mir schwant nichts Gutes, wenn ich den Himmel betrachte. Das sieht gefährlich nach Schnee aus. Nach viel Schnee!!! Und die Temperaturen um die 0 bis -5 Grad in der letzten Zeit passen ebenso zu meiner Vorahnung.

Diese Woche war ich noch nicht mit dem „Draußen-Dienst“ dran. (Ist Euch schon einmal aufgefallen, dass viele Dinge im Job des Erziehers völlig kindliche Namen haben, die aber von allen Erziehern so selbstverständlich benutzt werden, als würde es um etwas ganz Seriöses gehen? „Draußen-Dienst“ zum Beispiel.) Heute sollte ich eigentlich ebenfalls nicht raus. Deshalb liegen meine dicken Winterklamotten und die Handschuhe zu Hause.

Wie dumm von mir. Hätte ich nur ein klitzekleines Bisschen auf das gehört, was der Radio-Mann dort immer erzählt, wäre dieser Tag alles in allem sicherlich erfreulicher ausgefallen.

Bei Schnee in der Kita wollen die Kids raus

In der Kita angekommen, nehme ich schon eine seltsame Stimmung wahr. Sie ist ähnlich der Stimmung, wenn es im Laufe des Tages Gewitter oder Sturm gibt. Man braucht nämlich gar nicht den Radio-Mann. Kinder sind viel bessere Wetterfrösche. Aber nur in der Masse. Viele Kinder können mit ihrer Stimmung nämlich im Kollektiv das Wetter voraussagen. Bei Gewittern ist es besonders schlimm.

Heute herrscht also die gleiche Stimmung, seltsame Gewitterstimmung. Aber gewittern wird es heute ganz sicher nicht, also kann diese Spannung in der Luft nur eines bedeuten: Es wird heute schneien. Ich weiß, ich hätte es wissen können. Meine Augen weiten sich und mir entweicht ein lautes „So ein Mist!“

Das bleibt natürlich nicht unkommentiert. Laura, die Laura, die immer alles mitbekommt und deren Neugierde für 10 Kinder reichen würde, schaut mich verdutzt an und sagt: „Was fluchst Du denn hier herum, so früh am Morgen?“

Worauf ich entgegne: „Ach nichts, nichts.“ (Ich bin ja nicht verrückt und versetze, schon bevor die erste Flocke gefallen ist, den ganzen Laden in panische Aufruhe.)

Sie lässt nicht locker: „Dir ist doch gerade was eingefallen, was überhaupt nicht cool ist, oder?“

Ich: „Korrekt!“

Sie: „Saaaag schon!“

Ich: „Nein.“

Sie: „Doch.“

Ich: „Nein.“

Sie: „Doch.“

Ich: „Nein.“

Sie: „Doch.“

Und so weiter und so fort. Am Ende schließe ich meinen Mund mit einem imaginären Schlüssel ab und schmeiße diesen weit weg. Laura schaut entsetzt und verschwindet in den Weiten der Kita.

Muss es wirklich Schnee in der Kita geben?

Mein verzweifelter Blick geht Richtung Fenster. Es ist ein bisschen so, als ob man auf seine Hinrichtung wartet. Und plötzlich geschieht es. Ich sehe die erste Schneeflocke vom Himmel fallen. Ja, ich gebe zu: Irgendwie ist es romantisch, aber ich habe panische Angst vor dem, was da gleich kommen mag. Auf die erste Flocke folgt die zweite und dann die dritte und schwupps: ein komplett verschneiter Himmel.

Wir Erzieher schauen uns an, denn der Notfallplan muss her: Jalousien runter, schnell! Die Kollegin drückt auf einen Knopf und der Gruppenraum verdunkelt sich. So sollten wir das Frühstück hinbekommen, ohne dass ein Kind den Schnee bemerkt. Falls der Schnee vorher entdeckt wird, würde Anarchie ausbrechen.

Unser Plan geht erst einmal auf, so dass wir gemeinsam mit den Kindern problemlos frühstücken können. Lediglich Laura wundert sich über die heruntergelassenen Jalousien. Wir haben ca. 70 Prozent des Frühstücks hinter uns gebracht, als die ganze Sache ziemlich heikel wird:

Theo steht auf und verkündet, dass er auf die Toilette muss. Er läuft in den Flur und wir Erwachsenen halten uns gleichzeitig Augen und Ohren zu mit dem Wissen, dass sich im Flur sowie auf der Toilette Fenster befinden, Fenster, die nicht verdunkelt sind. Fenster, die knallhart zum Vorschein bringen, dass es schneit. Es wird schiefgehen und die Kita steht Kopf! In 3, 2, 1…

Willkommen im Schneechaos

„Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh! Es schneit! Es schneit, es schneit, juchu, ahhhhhhhhhh!“

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Und Action! 24 Kinder stehen gleichzeitig auf, schreien, rennen, tanzen, fallen, stoßen sich, kippen Dinge um. Hier fliegen Brotdosen, manche mit Inhalt und manche ohne, dort läuft Tee über den ganzen Tisch in eine Tasche. An anderer Stelle liegt ein Kind auf dem Boden und ein zweites läuft drüber. Ausnahmezustand eben.

Eigentlich haben alle Kinder das gleiche Ziel. Ihr erinnert Euch? „Kommt alle aus dem Haus!“ Aber kaum ein Kind weiß, wie sich das nun auf die Schnelle umsetzen lässt und deshalb herrscht Chaos.

Ich stehe auf und rufe so laut ich kann: „Stooooooooooooopppppp! Einmal alle zuhören!“

Das wirkt ausgesprochen gut und ich bin begeistert von mir selbst. Jedoch liegt die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder in Anbetracht ihrer Aufregung bei 3 Sekunden, deshalb muss ich mich kurzfassen: „Brotdosen in Taschen, Taschen wegräumen und anziehen!“

Mammutaufgabe: Anziehen bei Schnee in der Kita

Und nun kommt es: Anziehen. Das ist die erste riesige Hürde bei Schnee.

25 Kinder = 25 Schneehosen, 25 Jacken, 50 Stiefel, 25 Mützen, 25 Schals und 50 Handschuhe.

Das sind genau 200 Teile, die irgendwie angezogen werden wollen. Davon sehen viele auch noch genau gleich aus und sind nicht mit Namen beschriftet. Natürlich nicht. Man sagt den Eltern: „Bitte alles beschriften.“ Aber keiner, wirklich keiner tut es. Na okay, abgesehen von den Supermuttis, die die Kleidung nicht nur beschriften… nein, sie haben gedruckte Stoffaufkleber. Da diese ein Heidengeld kosten und es sie nur im 200er Pack gibt, müssen die überall draufgeklebt werden. ÜBERALL, damit es sich lohnt.

Von diesen Muttis haben wir genau 2, das heißt im Umkehrschluss, dass wir bei 184 Gegenständen raten müssen. Wir helfen den Kleinen in Höchstgeschwindigkeit und treiben dabei Hochleistungssport.

Das Ganze gepaart mit der Aufregung und Hektik der Kinder könnte einen vermuten lassen, dass wir im Irrenhaus sind. Hier fliegen Stiefel und da weinen Kinder, aber wir schlagen uns ganz gut. Als alle 25 Kinder fertig sind, bemerkt Sophie, dass sie in die Hose gepinkelt hat, vor Aufregung. Mist, also bei ihr wieder von vorne.

Ich ziehe sie komplett aus, reinige sie, ziehe ihr Ersatzkleidung an und suche verzweifelt nach einer Kita-Schneehose , die sie sich ausleihen kann. Ihre ist ja nun von innen nass. Dann wieder Schneehose, Handschuhe, Mütze, Schal und Jacke. Fertig.

Bei so einem Wetter, wenn es alle Kinder nach draußen treibt, sind die Regeln des Draußen-Diensts außer Kraft gesetzt. Wir Erzieher müssen alle raus und da kommen wir zu meiner Anfangsbemerkung, als ich heute Morgen die Kita betreten habe: „So ein Mist!“

Der aufmerksame Leser weiß, was jetzt mein Problem ist: Ich habe keine Wintersachen dabei. Ich werde vermutlich da draußen ganz heimlich, still und leise erfrieren.

Schneeklamotten für Fortgeschrittene

Natürlich habe ich eine Jacke an, jedoch ist das nur eine Übergangsjacke, die schick aussieht, aber bei Schnee ganz bestimmt nicht hilft. Handschuhe, Mütze, Schal, warme Socken etc. Alles Fehlanzeige. Während alle anderen schon draußen sind, stehe ich an der Garderobe der Erwachsenen und schaue betrübt daher.

Es nützt nichts, ich muss mich an der Fundgrube bedienen. Diese ist stets reichlich gefüllt und gerade im Winter sollte ich hier fündig werden. Doch bevor ich das tue, rufe ich nach draußen, um meine Kollegin zu fragen, ob ich mir ihren Hoodie ausleihen kann. Unter meiner Übergangsjacke könnte dieser zumindest ein bisschen Wärme spenden. Gesagt, getan: Hoodie plus Jacke, check!

Fehlen Mütze, Schal, Handschuhe, dicke Socken und Schneehose, aber letztere werde ich nicht in meiner Größe herzaubern können.

Wollen wir doch mal schauen, was die Fundgrube so hergibt: Die Socken sind einfach. Ein komplettes, relativ großes Paar ist da. Gehört bestimmt einem Sechsjährigen mit Schuhgröße 31-34. Da passen meine 38er Füße doch locker rein. Bei der Mütze wähle ich ein besonders schickes Modell – eine Alternative habe ich nicht. Also neongrüne Mütze mit blauen Dinos drauf. Steht mir. Schal: Prinzessin Lillifee in rosa, pink, lila usw. In Kombination mit der Mütze ein echter Hingucker. Handschuhe: Einer orange, einer mit Spiderman drauf. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn es 2 gleiche gegeben hätte.

Ich sehe bescheuert aus und habe Angst vor Läusen oder anderen Krabbeltieren. Das klingt jetzt erstmal fies, ist aber in der Kita gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man sich Kopfbedeckungen von Kindern aufsetzt oder Kleidung verwendet, die seit gefühlt 100 Jahren in der Fundgrube liegt.

Raus in den Schnee in der Kita

Mein Auftritt ist gekommen: Ich gehe nach draußen zu den anderen. Und? Sie lachen. Laut und lange. Nicht nur die Erwachsenen, auch die Kinder finden offenbar, dass ich dämlich aussehe. Aber da steh ich drüber. Wer konnte schließlich mit Schnee rechnen?!

„Warst Du etwa nicht auf Schnee vorbereitet?“, fragt eine Kollegin, als sie sich vom Lachanfall erholt hat. Dann fügt sie hinzu: „Dass heute der Wintereinbruch kommt, erzählen sie doch schon seit Tagen.“

Ich schweige.

Die Kinder spielen vergnügt und ausgelassen und mir ist kalt. Komisch, dass Schnee grundsätzlich dazu verleitet, ihn zu Kugeln zu formen und andere damit abzuwerfen. Hier und da wird mal ein Kind getroffen und Tränen kullern. Dann kommt das Lustigste. Kinder im Kita-Alter wissen von der Idee her, wie man einen Schneemann baut, aber kaum ein Kind wäre je im Stande so einen Schneemann allein zu bauen. Nichtsdestotrotz fangen alle Kinder immer damit an, allein einen Schneemann zu bauen. Gefühlt 300 Kinder laufen gebückt durch den Garten und versuchen je 3 Kugeln zu formen. Allein logistisch gesehen ist das eine Vollkatastrophe.

Mein Hinweis, dass sie sich zusammentun sollen, wird, wie in jedem Jahr, ignoriert. Deshalb gleicht der Kita-Garten nach kurzer Zeit einem Schneemann-Kugel-Friedhof.

Schnee in der Kita – das Nachspiel

Nach einiger Zeit scheinen wirklich alle erfroren zu sein und die Allgemeinheit beschließt, reinzugehen. Gott sei Dank! Erlösung.

Drinnen folgt das gleiche chaotische Spiel. 200 Gegenstände – zum Teil durchweicht vom Schnee und schmutzig – müssen wieder ausgezogen werden usw. Ihr wisst schon. Beim Ausziehen kommt viel durcheinander, ein Glücksfall für unsere Fundgrube, die durch solche Aktionen wieder gefüllt wird.

Nach geschlagenen 45 Minuten sind alle Kinder und Erwachsenen wieder im Gruppenraum und alle Sachen sind so verstaut, dass man sagen könnte: Es ist ordentlich.

Für die Kinder gibt es einen warmen Kakao und Ruhe kehrt ein.

Bis 2 Stunden später alles unter Wasser steht.

Was könnte da passiert sein? Die Antwort liefert Sven im Handumdrehen. Er weint und schreit und ist außer sich. Sein Freund sei nicht mehr da.

Sein Freund?!

Ich stelle die alles entscheidende Frage: „Sven, war Dein Freund aus Schnee?“

Das war er. Sven hat das Unmögliche möglich gemacht und einen Schneemann allein gebaut, diesen heimlich in die Garderobe manövriert und dort während der Umziehaktion vor uns versteckt. Wow!

Jetzt steht alles derart unter Wasser, dass ich die nächste Stunde mit dem Trockenlegen beschäftigt bin. Sein Schneemann muss verdammt groß gewesen sein.

Außerdem wird mir klar, dass wir das Thema „Schnee“ definitiv nochmal mit den Kindern besprechen müssen, nicht dass noch ein weiterer Freund sein elendes Ende bei uns IN der Kita findet.

So kann es gehen bei Schnee in der Kita! Was habt Ihr in der kalten Jahreszeit schon alles mit den Kindern erlebt? Teilt Eure Geschichten auf unserem Instagram- oder Facebook-Kanal.

Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

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