Stühle fliegen, die KiTa brennt …ich sag jetzt besser nichts! – Alltagsanekdote Teil 11

Hachja. Es ist so eine Sache. Die Kinder werden gebracht, oder abgeholt und Schwupps… hat man ein ganz anderes Kind vor sich. Aus dem netten Emil mit den Engelslöckchen wird der nicht mehr so nette Emil mit den Teufelshörnern. Und die stets gut gelaunte Emilia, die alle mit ihren fröhlichen Unterhaltungen erheitert, ist, sobald ein Elternteil anwesend ist, gar nicht mehr gut gelaunt. Ihr Gesicht verfinstert sich und plötzlich erkennt man sie nicht wieder. Sie schreit, protestiert, kreischt, diskutiert und ist wirklich alles, außer fröhlich und gut gelaunt.

Tja. Da kann man nichts machen… jede Erzieherin* kennt dieses Phänomen. 25 leicht zu handelnde Kinder werden zu 25 Zombies, wenn die Eltern anwesend sind. Und wenn dann Zombiezeit ist, heißt es, zu überleben. Was auch sonst. Zombies sind ganz gefährliche Wesen… und wie schon erwähnt, sind dann ja auch noch die Eltern dieser sich entwickelten Zombiekinder anwesend. Das ist doppelte Stressdröhnung.

Erwähnen wir doch mal die Klassiker:

Kinder, die abgeholt werden, schreien erschreckend gerne ihre Eltern an. Des Weiteren ist es ebenfalls gang und gäbe, dass die Eltern von ihren Kindern geschlagen, oder aber auch getreten werden. Im Übrigen ist plötzlich kein Kind mehr in der Lage irgendetwas alleine zu tun. Weder Schuhe oder Jacken anziehen. Aber es kommt noch schlimmer: Sie können plötzlich nicht mehr laufen.

Eine ganz seltsame Krankheit macht sich immer in der Abholphase breit. Dann noch jenes Phänomen, bei dem das Kind nicht einsieht, die KiTa zu verlassen. Es möchte schlicht und ergreifend dableiben. Eine besonders unangenehme Situation für die abholende Person, schließlich erweckt es ja den Eindruck, als wolle das Kind lieber in der KiTa sein, als zu Hause. Ist es zuhause denn so schlecht?

Einhergehend mit dieser Problematik folgt dann das Ich-mach-mich-schwer-wie-ein-Sack-Syndrom

Ebenfalls ein stark verbreitetes Syndrom, was wohl jeder kennt. Das Kind will die KiTa nicht verlassen, die Mutter versucht irgendwann das Kind hinauszutragen. Dieses wehrt sich mit Händen und Füßen und macht sich schließlich so schwer und unhandlich, dass ein Tragen unmöglich ist.

Oft steht dieses Verhalten auch noch im Zusammenhang mit dem wütend-auf-den-Boden-werfen, wie wir es auch bei Kindern in Supermärkten beobachten können.

Und all dies passiert mit den lieben Kindern vom Vormittag. Da soll noch mal einer sagen der Zombievergleich sei überzogen.

Nun ja. Und mitten drin, wie gesagt, die Erzieherin.

Ein Kind wird also abgeholt, das bis vor wenigen Minuten, ein absoluter Engel war, den es zu betreuen galt. Plötzlich aber steht da die Mutter und hat die Zombieversion. Da ist die Frage: Wie reagiert man da? Was ist zu tun? In Luft auflösen ist ja leider nicht möglich, wäre aber angebracht. Also muss eine Lösung her… eine pädagogisch wertvolle Lösung, sodass am Ende alle glücklich sind. Haha. Aber fangen wir mal ganz vorne an:

Hier handelt es sich um die kleine Marie

Marie? Wirklich ein Engel wie er im Buche steht. Mit ihren blonden Löckchen und ihrem strahlenden Lachen, mit ihren wunderschönen blauen Augen und den süßen Klamotten, die ihr stets angezogen werden. Dazu ihre (KiTa)-Art: Immer freundlich, hilfsbereit, gut gelaunt und besonders glücklich. Und diese kleine Marie wird nun von ihrer Mama abgeholt… Welche schon mit sorgenerfülltem Blick das Gebäude betritt. Der Blick ist, keine Frage, gerechtfertigt. Jeden Mittag passiert nämlich mit Marie genau das oben beschriebene. Man kann quasi dabei zusehen, wie sich das Kind um 180 Grad dreht. Schwupp: Marie 2.0 steht vor uns. Und die Show kann beginnen. Zuallererst entdeckt sie ihre Mutter. Die Blicke treffen sich und ich glaube es fängt an zu gewittern… In der KiTa, mittendrin urplötzlich. Verrückt wozu das Mädchen im Stande ist. Naja. Im wahrsten Sinne bedeutet es leider nur, dass das Kind wie verrückt anfängt im Kreis zu rennen und: „NEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEIN“, brüllt. Alle halten sich die Ohren zu. Und da wäre dann der erste unangenehme Moment: Greife ich da jetzt ein, oder lass ich die Mutter erstmal reagieren?

Ich warte ab. Marie dreht Runde 586 und ihr „NEEEEEIN“ ebbt nicht ab. Ich schaue die Mutter fragend an. Sie reagiert nicht: Weder auf mich, noch auf Marie. Schade.

Also schreite ich ein: „Marie! Hör auf so laut zu schreien. Du wirst abgeholt, geh bitte zu deiner Mutter!“

Ich schaue die Mutter an. Sie sieht erleichtert aus, dass ich ihren Job erledigt habe. Und Marie? Marie hört auf zu schreien, hört auf zu rennen, geht zu ihrer Mutter und tritt ihr vor das Schienbein. Ich wäre ja entsetzt, bin es aber nicht, da mir dies schon so bekannt vorkommt. Ich warte also wieder ab. Was macht die Mutter? NIX! Überraschung. Sie lässt sich einfach munter treten. Und ich? Sag ich was? Ich möchte ja auch nicht, dass sich die Mama völlig blöde vorkommt… und ganz im Ernst: Wenn die Mutter sich verprügeln lässt, sollte sie sich schon selbst wehren können, denk ich mir so. Ich verkneife mir hierzu also den Kommentar und warte die nächste Gelegenheit ab, in der ich eingreife. Zum Beispiel wenn Marie unsere KiTa abbrennt oder mit Stühlen wirft. Alles denkbar.

Nach der Prügelei auf ihre Mutter, versucht diese Marie anzuziehen. Marie hingegen macht sich steif und lässt sich nicht helfen.

Die Mama sagt in leisem Ton: „Marie! Dann mach es halt alleine! Ich möchte jetzt nach Hause!“

Und Marie? Antwortet sehr vorhersehbar: „Nein!“

Darauf die Mama: „Marie, bitte!“

Marie: „Nein.“ Die Mama schaut mich ratlos und verzweifelt an. Ich soll ihr offenbar unter die Arme greifen: Ok… dann greife ich nun wohl ein.

„Marie! Zieh dich jetzt an… deine Mama will nach Hause!“

Und Marie? Zieht sich an. Das ist hart und gemein. Ich hab‘ nach wie vor die Engelsversion. Womit haben Eltern das eigentlich verdient?

Okay. Runde drei: Marie ist angezogen. Es soll Richtung Tür gehen. Was macht Marie? Als wolle sie einen Köpfer ins Wasser machen, gleitet sie auf den Boden und schreit. Dabei haut sie ihre Arme und Beine schön synchron auf den Boden. „Hat was von einem Tanz“, denke ich noch, als ich durch die Keule der Mutter unterbrochen werden . Sie zückt nämlich wirklich das letzte Mittel, was Eltern so auspacken, wenn sie nicht mehr weiter wissen. 3, 2, 1, … „Marie, kommt jetzt oder ich gehe ohne dich!“

So, so, sie geht ohne Marie. Da hab‘ ich aber noch ein Wörtchen mitzureden. Das denkt sich auch Marie, die diese Worte so nicht für Voll nimmt.

Okay, gesagt getan… Maries Mutter verlässt das Gebäude, ohne Marie. Na immerhin ist sie konsequent. Bringt uns nur auch nicht weiter.

Marie hingegen schaut mich verwirrt an, steht auf, sieht ihre Mama nicht mehr und verwandelt sich in das Engelchen. „Wollen wir was spielen?“, fragt sie völlig freundlich und mit sehr viel Selbstverständlichkeit. „Nein, Marie… Mama kommt sicherlich gleich wieder und holt dich.“

Und siehe da – eine Reaktion á la „Okay. Ich warte also so lange hier auf sie.“

5 Minuten später kommt Maries Mutter wieder und Marie mutiert direkt wieder zurück zum Zombie. Auf Knopfdruck.

Verrückte Welt. Und wieder stehe ich völlig ratlos daneben. Die Mutter will gehen, das Kind nicht. Ich will mich nicht nochmals einmischen und entscheide mich schlussendlich dazu mich von beiden zu verabschieden und den Flur zu verlassen. Jetzt ists an der Zeit für die Mama ihre kleine, nicht mehr ganz so süße Tochter, zu erziehen.

*Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen & personenbezogenen Wörtern wurde hier die weibliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

Diese Artikel könnten Dich auch interessieren:

Categories:   Gesund in der Kita, Kita und Karriere, Kita-Leben, Kita-Pädagogik, Kita-Qualität

Kommentare

Sorry, keine Kommentare erlaubt.