Hochbegabte Kinder in der Kita – ist Hochbegabung ein Segen oder Fluch?

Hochbegabte Kinder? Besserwisserisch, quengelig, gelangweilt … manche Kinder können ganz schön anstrengend sein – aber Vorsicht: steckt vielleicht eine Hochbegabung dahinter? Aus gutem Grund solltest du als Erzieherin oder Erzieher dieser Vermutung nachgehen und das betreffende Kind genau beobachten. Falsche Vermutungen können ebenso viel Schaden anrichten wie die Ablehnung einer Hochbegabung. Worauf es dabei ankommt, erfährst Du in diesem Artikel.

Was bedeutet eigentlich Hochbegabung bei Kindern?

Ein IQ von 130 = hochbegabt. Diese einfache Rechnung hört man immer wieder, obwohl zahlreiche Studien belegen, dass es gerade bei Kindern nicht so einfach ist. Der Intelligenztest ist eine Momentaufnahme – gerade bei jüngeren Kindern können sich durch Entwicklung, Förderung oder Unterforderung innerhalb weniger Jahre gravierende Veränderungen ergeben. Hochbegabung ist als Kombination von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen zu sehen.

Die besonderen Begabungen können individuell nur in einem oder in mehreren Bereichen auftreten, z.B. im mathematisch-logischen, sprachlichen, sportlichen oder musikalischen Bereich. Dies zeigt bereits, wie komplex das Thema Hochbegabung ist. Leider lässt sich die individuelle Ausprägung nicht exakt und objektiv bestimmen – eine Herausforderung natürlich auch für Pädagogen.

Wie erkennt man hochbegabte Kinder in der Kita?

Hochbegabung bei Kindern kann sich auf verschiedene Arten zeigen und ist nicht immer leicht zu erkennen. Hier sind einige Anzeichen, die darauf hindeuten können, dass ein Kind hochbegabt ist:

  • Frühreife: Hochbegabte Kinder können oft früher als andere Kinder bestimmte Fähigkeiten entwickeln, wie beispielsweise frühes Lesen, Schreiben oder Rechnen.
  • Interesse an komplexen Themen: Hochbegabte Kinder zeigen oft ein tiefes Interesse an komplexen Themen und können diese auf einem hohen Niveau verstehen und diskutieren.
  • Lernbegeisterung: Hochbegabte Kinder haben oft eine starke Lernbegeisterung und zeigen eine große Neugier und ein tiefes Verständnis für die Welt um sie herum.
  • Gutes Selbstbewusstsein: Hochbegabte Kinder haben oft ein hohes Selbstbewusstsein und zeigen eine große Selbstständigkeit in ihrem Denken und Handeln.
  • Kreativität: Hochbegabte Kinder können oft kreativ und künstlerisch begabt sein und zeigen eine große Vorstellungskraft und Fantasie.Es ist wichtig zu beachten, dass hochbegabte Kinder nicht immer in allen diesen Bereichen hervorstechen müssen und dass jedes Kind einzigartig ist. Wenn Erzieher den Verdacht haben, dass ein Kind hochbegabt sein könnte, sollten sie eine professionelle Diagnostik in Betracht ziehen.

Kleinkinder: früh entwickelt oder hochbegabt?

Der Vergleich von Krippenkindern ist in der Regel wenig aussagekräftig. Die Entwicklungsschübe sind oft zu unregelmäßig. Wenn ein Kind kurzfristig einen Entwicklungsvorsprung hat, kann er von den anderen schnell wieder eingeholt werden. Bestimmte Auffälligkeiten über einen längeren Zeitraum sollten jedoch Anlass zur Aufmerksamkeit geben. Dies sind einige Anzeichen für eine Hochbegabung, die auch nur teilweise auftreten können.

Hochbegabte Kinder …

  • … überspringen Entwicklungsschritte, z. B. vom Sitzen geht es direkt zum Laufen, das Krabbeln wird übersprungen.
  • … weisen eine frühe Augen-Hand-Koordination auf.
  • … sprechen früh, bilden schnell ganze Sätze und haben einen großen Wortschatz mit komplexen Begriffen.
  • … haben großes Interesse an ihrer Umgebung und eine sehr gute Beobachtungsgabe.
  • … erkennen schnell Ursache-Wirkung, Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten.
  • … zeichnen sich durch Lernbegierde, Neugier, ein hohes Aktivitätsniveau und den Drang nach Selbstbestimmung aus.
  • … besitzen ein auffällig gutes Gedächtnis und hohe Konzentrationsfähigkeit.
  • … zeigen frühes Interesse an Zahlen und Buchstaben – bringen sich vor der Schule selbst Rechnen, Schreiben und Lesen bei.
  • … sind sensibel, kreativ und wissbegierig.
  • … stellen viele Fragen, wollen den Dingen auf den Grund gehen und verarbeiten neue Informationen schnell.
  • … haben Interesse an Themen, die nicht altersentsprechend sind.
  • … suchen Kontakt zu älteren Kindern und Erwachsenen.

Die anstrengenden Seiten der Hochbegabung bei Kindern

Es gibt aber auch als negativ empfundene Verhaltensauffälligkeiten, die auf eine Hochbegabung hinweisen können. Hochbegabte Kinder gelten manchmal als ungeduldig und unbequem, was Erzieher und Eltern beunruhigt, wenn sie aufgrund von Unterforderung Aggressionen entwickeln oder sich zurückziehen, passiv werden oder sogar psychosomatische Beschwerden zeigen.

Weitere „negative“ Anzeichen der Hochbegabung bei Kindern:

  • Die Kinder setzen sich über Regeln hinweg und erkennen Autoritäten nicht an.
  • Sie treten vorlaut, trotzig und ungeduldig auf.
  • Sie zeigen ihre Langweile und können zu echten „Quälgeistern“ werden.
  • Sie wollen keine leichten, wiederholenden Tätigkeiten ausführen, was zu Arbeitsverweigerung führen kann.
  • Hochbegabte können auf Gleichaltrige arrogant und seltsam wirken – sie fühlen sich dadurch als Außenseiter.
  • Sie wollen sich nicht unterbrechen lassen und reagieren empfindlich gegenüber Kritik.

Die Hochbegabung nicht „verspielen“

Hochbegabung sollte trotz der anstrengenden Aspekte als eine besondere Auszeichnung, vielleicht sogar als ein Geschenk angesehen werden, das einer besonderen Förderung bedarf. Dies setzt bei den Erzieherinnen Erfahrung und ein gutes Gespür voraus. Spezielle Seminare und Fortbildungen zu diesem Thema werden angeboten. Besonders schwierig ist das Erkennen von Hochbegabung z.B. bei Migrantenkindern, die aufgrund fehlender oder unzureichender Sprachkenntnisse ihre Fähigkeiten nicht richtig zum Ausdruck bringen können.
Manchmal steckt hinter den überdurchschnittlichen Leistungen der Kleinen auch eine intensive Förderung durch die Eltern. Ohne den stolzen Eltern die Freude an den Leistungen ihrer Kinder nehmen zu wollen: Aber wenn sie beispielsweise mit einem Fünfjährigen regelmäßig Lesen und Schreiben üben, ist das positive Ergebnis noch lange kein Zeichen für Hochbegabung.

Hochbegabte Kinder in der Kita fördern

Wie bereits erwähnt, ist eine eindeutige Identifikation von Hochbegabung im Kindergartenalter kaum möglich. Erzieher können aber mit kleinen Schritten dazu beitragen, dass Kinder ihre außergewöhnlichen Leistungen frühzeitig positiv bewerten. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass das Kind gut in die Gruppe integriert ist, auch wenn die Erzieher immer wieder höhere Anforderungen an das Kind stellen. Lass das Kind fragen und ausprobieren. Blockiere es nicht, weil es sich für Themen interessiert, die nicht altersgemäß sind. Halte auch Material „für Erwachsene“ bereit, wie z.B. klassische Musik, Bilderbücher, Sachbücher etc.

In altersgemischten Gruppen können sich die Kleinen mit den Älteren beschäftigen und komplexere Aktivitäten und Spiele durchführen. Wenn es in einer größeren Einrichtung mehrere hochbegabte Kinder gibt, können sie sich regelmäßig treffen und an einem eigenen Projekt arbeiten. Es ist wichtig, den Kindern den Freiraum zu geben, sich auch mit ungewohnten Themen und Gegenständen zu beschäftigen, um ihre kreativen Lösungsansätze zu finden.

Nicht zu viel verlangen bei möglicher Hochbegabung

Bevor die Eltern mit der Vermutung konfrontiert werden, empfiehlt es sich, das Verhalten über einen längeren Zeitraum zu beobachten und zu dokumentieren. Nach Rücksprache mit Kollegen kann eine entsprechende Beratungsstelle aufgesucht werden. Der Begriff Hochbegabung sollte nicht leichtfertig verwendet werden, da das Kind dadurch einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt wird.
Wenn ein Kind in einem Bereich außergewöhnliche Leistungen zeigt, ist es noch lange kein Allround-Genie oder Wunderkind. Viele erwarten auch eine soziale und emotionale Reife, die das Kind im frühen Alter noch gar nicht erlangen kann. Manche Eltern überfordern ihr begabtes Kind mit einem eng getakteten Trainingsprogramm – das kann selbst Hochbegabte überfordern.

Weitere Infos zum Thema Hochbegabung bei Kindern gibt es hier:

Lust auf einen neuen Kita Job? Hier geht’s zu den Jobs für Erzieher.

Von Mirjam Blake

Medienwissenschaftlerin, Texterin, Journalistin, Träumerin

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