Gärtnern mit den Kita-Kindern – Alltagsanekdote Teil 16
Gärtnern in der Kita… klingt das nicht romantisch?
Ich denke es geht Euch ähnlich, wenn ich beschreibe, welches Bild ich im Kopf habe, wenn ich mir das Szenario des gemeinsamen Gärtnerns vorstelle:
Eine fröhlich strahlende Erzieherin flaniert barfuß in einem wundervollen, luftigen Sommekleid durch den Kita-Garten und singt dabei ein Lied. Dicht hinter ihr sind viele kleine, ebenso fröhliche, Kinder, die ebenfalls barfuß brav hinter der Erzieherin hertapsen – voller Spannung auf die Dinge, die sie gemeinsam im Garten pflanzen werden.
Schließlich gehen alle zusammen zu dem einst selbst errichteten Hochbeet (dieses ist natürlich in Arbeitshöhe der Kinder, alles andere wäre ja pädagogisch nicht wertvoll) und beginnen zu gärtnern.
Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und wolkenlos und alle ernten zusammen die eingepflanzten Möhrchen, die dann selbstverständlich super sauber aus der Erde kommen und direkt von allen verspeist werden.
Und die Möhren selbst? Sie sind gerade gewachsen und besitzen eine knallige orangene Farbe. So wie es sich nun mal für eine perfekte Wunschvorstellung vom Gärtnern in der Kita gehört!
Der Weg hin zur fertigen Karotte lief absolut genauso ab! Das Hochbeet wurde gemeinsam mit den Kita-Kindern gebaut, befüllt, und die Möhrensamen ausgestreut. Alles kein Problem und der absolute Traum einer jeden Erzieherin. Ein grandioses Projekt eben.
Oder?
Es sollte ein schönes Projekt werden… was es im Grunde ja auch ist. Aber so romantisch wie man es sich vorstellt, ist gärtnern wohl nur in der absolut idealisierten Wunschvorstellung, keineswegs aber in der Kita.
Bei der Dienstbesprechung waren noch alle Feuer und Flamme. Ich schlug vor Hochbeete zu errichten und ein solches Projekt mit den Kita-Kids zu starten. Die Kolleginnen und Kollegen fanden den pädagogischen Mehrwert des Projekts großartig und die Leitung freute sich schon jetzt darauf, die Website um das Highlight „Gärtnern am Hochbeet“ erweitern zu können.
So ein Hochbeet macht ja auch viel her – und die Eltern der Kita-Kinder fahren voll darauf ab! Gerade momentan. Hochbeete sind hip. Gärtnern mit Kindern sowieso. Na klar. Die Kleinen sollen das Wissen, wo unsere Nahrung herkommt, quasi schon in die Wiege gelegt bekommen. Sie sollen es wertschätzen und so weiter und so fort. Ich brauche nun nicht den kompletten Nutzen dieser Aktion berichten, denn dann wäre ich wirklich lange beschäftigt. Denn die Ideen der Hochbeete und das gärtnerns mit Kita-Kinder ist nach wie vor grandios. Die Umsetzung ist dann eben einfach etwas komplizierter.
Wie dem auch sei: Das Projekt wurde beschlossen. Ich sollte mich um die Durch- und Ausführung kümmern. Alle waren begeistert, aber dann passierte erstmal laaaaange nichts!
„Warum nicht?“, fragt sich mancher.
Ganz einfach: Der verrückte Kita-Alltag kommt immer wieder dazwischen. Heute fehlen drei von fünf Kollegen, gestern war ich selbst krank. Übermorgen wird Karneval gefeiert und den Tag drauf muss dringend irgendein Geschenk gebastelt werden. Dann ist da noch das Vorschulangebot, was auf Grund von Personalmangel wochenlang nicht stattfand und plötzlich sind wieder Eingewöhnungen. Und ehrlich: Im November macht das Projekt „Hochbeete“ nicht mehr so viel Sinn. Und dann ist auch schon wieder ein Jahr vergangen. Wie es halt so ist!
Nun ist ein Jahr vergangen und ich beschließe: „Ich starte!“ Komme was wolle.
Doch ich gebe zu: Ich reduziere das Arbeitspensum zu meinen Gunsten ein wenig und bestelle einfach fertige Hochbeete, statt diese nun auch noch selbst zu bauen. Online finde ich sogar welche, die auf die Arbeitshöhe der Kita-Kids ausgerichtet sind! Praktisch, dass das Ganze gerade so im Trend ist, oder? Der Hausmeister baut sie mir auf: Fertig!
Schon seit einiger Zeit behandeln wir mit den Kindern alle Themen rund ums Gärtnern.
Wie wird aus einem Samen eine Pflanze? Was braucht eine Pflanze zum Leben? Die Kinder können diese Fragen nun bestens beantworten. Wir experimentieren, basteln, malen, lesen, backen und führen sie so Schritt für Schritt an dieses neue, große Thema heran!Die Kinder sind fit und wir wollen starten.
Der erste Arbeitsschritt lautet „die Hochbeete mit Erde befüllen“.
Wir haben April. Und der macht schließlich, was er will. Nichtsdestotrotz muss man mit Pflanzaktionen nun mal im Frühjahr starten. In meiner Planung war es im April schöner als im März.Die Realität macht mir aber erneut einen Strich durch die Rechnung und liefert mir 5 Grad, Wind und Regen. Blöd, dass ich gesagt habe, dass ich mich darum heute kümmern würde. „Komme was wolle“, erinnert Ihr Euch?
Also schnappe ich mir fünf Kinder und: WARTE!
Worauf? Klar.
5 Kinder = 5 Matschhosen, 5 Paar Gummistiefel, 5 Regenjacken, 5 Mützen, 5 Schals!
Gefühlte zehn Stunden später haben wir noch schätzungsweise drei Minuten Zeit, um drei Hochbeete mit Erde zu befüllen. Bin ich motiviert? NEIN! Sicherlich nicht.
Jedes Kind wird mit einer Blumenkelle ausgestattet und dann geht es los. Die Kinder helfen mir dabei, den riesigen Haufen Erde auf die Hochbeete zu verteilen. Soweit zumindest in meiner Wunschvorstellung.
Die Realität sieht nämlich (wer hätte es gedacht!) mal wieder anders aus. Die Kinder haben zwar versucht mir zu helfen, haben dann aber aufgegeben. Das ist vielleicht auch besser so, denn dabei ist mehr Erde auf dem Boden als in den Hochbeeten gelandet.
Gepaart mit dem Regen entstand eine ziemliche Matschepampe.
Tim nimmt etwas von dem Matsch und schleudert es Max ins Gesicht. Das Ende vom Lied? Lisa hat ein blaues Auge. Das wirkt jetzt etwas mysteriös… vermutlich stand sie einfach nur im Weg.
Nach der darauffolgenden, handfesten Klopperei mit den Blumenkellen, beschließe ich wieder reinzugehen und den Hausmeister zu kontaktieren. Er übernimmt den Job und rettet mir meinen letzten Nerv!
Einige Zeit später geht es ans Aussäen der Möhren.
Eine Aktion, die, wie ich finde, auch von etwas kleineren Kindern begleitet werden kann. Schließlich sind in dem Thema alle fit und jeder weiß, was er und sie tut. Dachte ich mir zumindest.
Die Pflanzen, die wir in der Kita vorgestellt haben, sollen nun auch in die Hochbeete gepflanzt werden. Immerhin spielt das Wetter diesmal mit. Barfuß und im Sommerkleid sind wir trotzdem nicht und das Anziehen der Kinder dauerte mal wieder ewig.
Mit dem richtigen Werkzeug ausgestattet sind die ersten Erdbeer- und Tomatenpflänzchen schnell eingesetzt. Bis auf ein bisschen Dreck hier und ein paar abgerissene Blätter da, verlief das ganz schön gut!
Wir machen uns also an das Aussäen der Möhrensamen.
Ich ziehe Bahnen, in welche wir dann die Samen geben. Jedes Kind bekommt ein paar Samen in die Hand. In diesem Moment hat sich die Idee, hier auch kleinere Kinder mitmachen zu lassen, als Reinfall enttarnt.
Ich habe sechs Kindern Samen gegeben: Die Samen von zwei Kindern sind dort gelandet, wo sie hinsollten.
Hier eine Aufstellung des Verbleibs der anderen Samen:
Susis Samen: Susi isst einfach zu gerne. Sie bekam die Samen auf die Hand und schwupps, steckte sie sie in den Mund, kaute ein paar Mal genüsslich darauf rum und schluckte alles herunter….
Svens Samen: Sven isst nicht gerne, pustet aber offenbar gerne und auch gut. Seine Samen sind alle weg.
Ilkays Samen: Ilkay hat seine Samen von hinten in den Pullover von Karin gesteckt. Erlacht immer noch. Karin nicht. Merke: Möhrensamen jucken offenbar!
Markus Samen: ??? – Wir haben keinen blassen Schimmer, wo die abgeblieben sind.
Ok. Nach dem ein oder anderen Zwischenfall ist dann doch irgendwie alles erledigt worden.
Seitdem gehen wir jeden Tag nach draußen. Es dürfen immer zwei Kinder mitkommen. Wir gießen (bevor Ihr fragt: Ja, dabei werden die Kinder nasser als die Erde) und zupfen ein bisschen Unkraut. Wir schauen uns an, wie sehr alles gewachsen ist… und berichten den anderen von unseren Fortschritten.
Das tun wir Tag für Tag. Wenn draußen Freispiel ist und rund 80 Kitakinder um die Hochbeete turnen, verteidige ich die Pflanzen vor den Kindern, als seien es meine Babys. Kinder können verdammt gefährlich sein. Sie sind halt so unbedacht: Laufen irgendwo vorbei und reißen auf dem Weg Blätter ab. Das wäre ja tragisch für meine Pflänzchen!
Und eines Tages …Es ist ein grauer Tag in der Geschichte des Gärtnerns in der Kita… Komme ich frohen Mutes, im Geiste barfuß, nach draußen und sehe die Tragödie: Alle, wirklich ALLE Möhrenpflanzen liegen herausgezupft auf der Erde. Ich befürchte das Schlimmste: Räuber, Gangster, Diebe, Vandalen! Und dann schießt es mir in den Kopf: Was ist schlimmer als all das zusammen: KINDER!!!
Es muss ein Kind gewesen sein.
Erzürnt stampfe ich zurück in den Gruppenraum. Mit bebender Stimme rufe ich durch die ganze Kita: „WER HAT ALLE MÖHRENPFLANZEN RAUSGEZOGEN???“
Keine Reaktion. Ich probiere es nochmal. Und siehe da: Der kleine Jasper steht vor mir mit seinen dunkelblauen Augen und dem blonden Pilzschnitt. Er hält einen Teddy in der Hand und flüstert: „Ich wars.“ Okay. Es ist egal, was dieses Kind nun sagt, es hat gewonnen: Es ist so verdammt süß, dass ich niemals böse sein könnte. Ich nehme Jasper auf den Arm, er drückt mich.
Ich frage ihn: „Jasper, warum hast du das denn gemacht?“
Er antwortet: „Na… ich wollte gucken, ob unten schon Möhren dran sind.“
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