Schmuddelwetter in der Kita – Alltagsanekdote Teil 21

Schmuddelwetter in der Kita: Ist das noch Herbst oder schon Winter? Ganz egal. In den meisten Teilen Deutschlands bringen beide Jahreszeiten das ungemütliche Schmuddelwetter mit sich. Oder genauer: normales Schmuddelwetter beziehungsweise Schmuddelwetter in eisig kalt. Also noch schlimmer, denn für die meisten Erzieher ist schlechtes Wetter ein absolutes Graus. Sicherlich weißt Du genau, wovon Manuela in dieser Alltagsanekdote spricht.

Kinder lieben Schmuddelwetter

Während es sich andere Arbeitnehmer in Innenräumen gemütlich machen und vor dem Kamin (oder der Attrappe eines Kamins im Büro) einen warmen Kaffee schlürfen, gibt es uns Erzieher. Wir sitzen, stehen und gehen draußen in der Kälte und im Matsch herum und beaufsichtigen die Kinder.

Nun kommt das Problem an der Schmuddelwetter-Geschichte: Die Kinder lieben dieses Wetter. Das ist für sie die schönste Zeit – ein absolutes Phänomen. Ein Kind sieht Wasser, Regen, Sturm oder Matsch oder in kalt: Eis, Schnee, eisigen Wind und weiß-braunen Matsch und es MUSS nach draußen. Sofort! Fast als würde es etwas wirklich Lebenswichtiges verpassen, wenn es nicht sofort nach draußen stürmt, um sich einzusauen.

Schmuddelwetter: Kinder wollen dreckig werden

Kinder wollen sich schmutzig machen. Warum nicht? Die Pädagogin in mir ist begeistert. Ein Kind soll Kind sein und Kinder sind Kinder, wenn sie sich draußen dreckig machen. Doch ein anderer Teil in mir ist so ganz und gar nicht begeistert. Dieser Teil ist genervt, schlecht gelaunt und zweifelt an der Berufswahl. Schließlich bedarf es, um mein pädagogisches Ich zu begeistern, eben auch den anderen Teil von mir, der in Form meines frierenden, immer nasser werdenden Körpers da draußen vor sich hinvegetieren MUSS. Alles für die Kinder.

Berufsalltag bei Schmuddelwetter in der Kita

Aber fangen wir mal vorne an… hier eine kleine Alltagsanekdote, die von einem von vielen Schmuddelwetter-Tagen berichtet.

7:15 Uhr: Ich bin mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit. Ich stehe im Stau. Stadtverkehr am Morgen nervt, und zwar so richtig, wenn es regnet. Bei so einem Wetter greift schließlich keiner mehr auf das Fahrrad zurück. Dafür sind sich selbst die größten Umweltfans zu schade. Es sitzen also alle Menschen in den Autos und fahren zur Arbeit. Der Regen prasselt so doll aufs Auto, dass die Sicht keine 10 Meter beträgt. Die Straße schwimmt. Das Auto beschlägt von innen und das Thermometer sagt: 6 Grad.

Der Himmel ist logischerweise grau und die Sonne zeigt sich nicht. Meine Laune ist ebenso grau. Dunkelgrau, weil ich weiß, was mir heute blüht: Kinder, die auf jeden Fall nach draußen wollen. Richtig toll: 6 Grad und Regen. Ich könnte weinen.

Schlechtwetter-Tage in der Kita

8:05 Uhr: Dienstbeginn wäre um 8 Uhr gewesen. Ich bin zu spät. 25 Minuten eher losfahren auf Grund von Regen reicht nicht mehr. Nächstes Mal also mindestens 30 Minuten. Ist notiert, mit einem Memo an mich selbst.

8:30 Uhr: Ein Glück ist die Regel in der Kita: Freispiel draußen erst nach dem Frühstück, ab 9:30 Uhr. Ich lehne mich mit meinem Kaffee in der Hand an eine Heizung und versuche, nicht in die Zukunft zu blicken. Dabei schweift mein Blick nach draußen. EKELIG, mehr fällt mir dazu echt nicht ein. Immerhin hat es aufgehört, zu regnen. Aber der Kita-Spielplatz ist übersät mit Pfützen. Die letzten Blätter von den Bäumen wehen unruhig hin und her, bis sie in den Pfützen landen. Nicht schön, gar nicht schön.

Gleich wird es ernst

9:30 Uhr: Die Freispielphase beginnt. Ich weiß, dass ich diese Woche draußen eingeteilt bin. Aber ich versuche alles, um das Rausgehen hinauszuzögern. Erstmal geh ich auf die Toilette, dann rede ich kurz mit der Leitung über belanglose Nebensächlichkeiten, die urplötzlich gar nicht mehr so belanglos und nebensächlich erscheinen. Vor der Tür sammeln sich die ersten Kinder, die gern nach draußen möchten. Ich sehe 4! Juchuuuu, mehr nicht. Kurz zur Erklärung: In unserer Kita besagt die Regel, dass draußen nur als Freispielraum eröffnet wird, wenn mindestens 5 Kinder dort spielen wollen. Und es sind 4. Bitte, bitte, hoffentlich bleibt es dabei! Ich flehe innerlich alles und jeden an.

9:35 Uhr: Ich verstecke mich hinter einer Wand und beobachte das Geschehen an der Tür von weitem. Gleichzeitig lasse ich die Garderoben nicht aus dem Blick. Wehe, es wagt noch ein Kind, sich anzuziehen.

9:36 Uhr: Es wagt ein Kind, sich anzuziehen.

9:37 Uhr: Ich gehe hin und versuche ganz heimlich, dieses Kind vom Gegenteil zu überzeugen. „Ich habe gehört, dass heute im Kreativraum Laternen gebastelt werden. Hast Du nicht viel mehr Lust, das zu machen?”

Und tatsächlich: Ich konnte das Unheil abwenden.

Schmuddelwetter – ab nach draußen!

9:38 Uhr: Wie dumm von mir. Bei dieser Aktion habe ich die andere Garderobe außer Acht gelassen und nun haben wir das Malheur: 3 Kinder sind dabei, sich anzuziehen. Mist, wie konnte das nur so aus dem Ruder laufen?

9:40 Uhr: 7 Kinder stehen rebellierend vor der Tür. Ich ziehe mich an: Regenhose, dicker Pullover, Regenjacke, warme Socken, Gummistiefel, Schal, Mütze, Handschuhe… fertig. (Ich weiß jetzt schon, dass ich trotzdem frieren werde.)

9:42 Uhr: Wir werden rausgehen müssen. Mittlerweile sind es 8 Kinder und ich. Schade, jetzt könnten es auch 13 sein, denn dann dürfte ich einen Kollegen zur Unterstützung anfordern. Und zu zweit zu frieren, ist mindestens hundertmal besser als allein. Aber nein, es bleiben 8 Kinder.

Und diese 8 Kinder scharren schon mit den Hufen, äh Füßen, an der Tür und als ich sie endlich öffne, stürmen alle los wie die Verrückten. Nein, natürlich nicht. Wie Pferde bei einem Pferderennen halt.

Schmuddelwetter, Pützen und bunte Kleider

9:43 Uhr: Es beginnt, leicht zu nieseln. Die Luft ist feucht, alles ist feucht. Meine Haare kräuseln sich: Ein Zeichen dafür, dass sie einem Klima ausgesetzt sind, das ihnen nicht passt. Was zur Hölle mache ich hier gerade? Ach ja: arbeiten. Die Kinder sind glücklich. Immerhin. Sie nehmen immer wieder Anlauf und springen in die Pfützen. Das matschige kalte Wasser spritzt ihnen ins Gesicht und so langsam entwickeln sich herrliche schwarze Muster auf den Kindern.

Ich nehme davon sehr viel Abstand und schaue mir das Treiben von Weitem an. Es ist schon gut, dass Kinder bei so einem Wetter mit Absicht so bunt gekleidet sind. Zum einen kann man sie dadurch bei der Witterung überhaupt noch sehen und zum anderen müssen die Erzieher dann nicht unter Depressionen leiden. Da bin ich mir sicher.

9:45 Uhr: Mir kommt der Gedanke, dass ich hier draußen eigentlich überhaupt nicht gebraucht werde. Mir kommen viele Gedanken. Ich sollte aufhören, zu denken.

9:46 Uhr: Mann, die Zeit will einfach nicht vergehen. Die Kinder spielen und ich stehe da. Nieselregen, 6 Grad, Grau in Grau und mir ist kalt.

9:47 Uhr: Ich überlege, mich hinzusetzen. Aber wo? Alles nass. Egal, ich habe ja eine Regenhose an. Ich setze mich.

9:48 Uhr: Ich stehe auf. Ob ich schon eine Blasenentzündung habe?

9:50 Uhr: Die Zeit?! Was stimmt mit der nicht? Ah, die Uhr ist kaputt, oder? Ich schaue durch das Fenster in den Gruppenraum. Erst blicke ich auf die Uhr und stelle fest, dass meine Uhr doch richtig geht und dann schweift mein Blick ab. Ich sehe meinen Kollegen.

In der Kita brennt Licht, weil draußen durch das graue Wetter alles so dunkel ist. Mein Kollege sitzt an einem runden Tisch. Natürlich hat er einen Kaffee in der Hand und sein Gesicht schaut zufrieden aus. Er lächelt. Dann sehe ich, dass er Musik hört, denn er trällert offenbar die Lieder mit. Gleichzeitig sitzen 4 Kinder bei ihm. Sie spielen Memory.

Mir kommen die Tränen. Wie schön das aussieht. Ich zittere, meine Handschuhe lassen sich auswringen und aus meinem Neid auf ihn wird soeben HASS.

Bewegung gegen Kälte bei Schmuddelwetter

10:00 Uhr: Ich starre immer noch rein und schmiede Pläne. Erpressung scheint mir eine gute Lösung zu sein: „Du nimmst jetzt sofort meinen Dienst hier draußen, ansonsten sag ich der Leitung, dass du ständig Sprachnachrichten machst, während der Arbeitszeit.”

Die Idee ist schon ganz gut, aber ich habe noch eine bessere: Wenn ich jetzt einfach mein Schritte-Konto ein bisschen aufbessere, indem ich mich bewege, vergeht die Zeit wie im Flug. Es sind ja nur noch 1,5 Stunden hier draußen in der Schmuddelwetter-Hölle. Ich laufe los!

10:05 Uhr: Ich wette, dass ich schon richtig lange gelaufen bin. Schließlich habe ich locker 10 Runden um den gesamten Spielplatz gedreht. Ich schaue auf die Uhr. Das hätte ich besser nicht getan. Ich laufe weiter.

10:30 Uhr: Ich bin 25 Minuten gegangen. Meine Uhr lobt mich. „Weiter so”, sagt sie. Na gut, dann mal weiter so. Und hey, es ist nur noch eine Stunde. Ich laufe weiter. Hat sich eigentlich mal irgendjemand gefragt, was die Kinder machen? Die Antwort ist einfach: Sie tun immer noch das Gleiche wie vor einer Stunde. Sie spielen mit dem Matsch und dem Wasser und den Blättern und sie genießen ihre Kindheit. Eine grandiose Meisterleistung.

10:45 Uhr: Das mit dem Gehen war eine großartige Idee! Meine Uhr hat gesagt, dass ich mein Schrittziel erfüllt habe. Mir kommt es so vor, als sei es doch der beste Beruf der Welt. Ich meine: Wo kann man während der Arbeitszeit so ein „Workout” hinlegen?

Gemeinsam die Kälte durchstehen

10:50 Uhr: Die Zahl der Kinder hat sich von 8 auf 13 erhöht. Juchu, juchu, juchu! Ich kann mein Glück nicht fassen. Selbstsicher gehe ich zum Fenster vom Gruppenraum und klopfe dagegen. Mit einer Geste gebe ich meinem ach so glücklichen Kollegen zu verstehen, dass er jetzt mit rauskommen muss. Sein Gesicht verfinstert sich.

11:00 Uhr: Die 10 Minuten, die ich nun auf meinen Kollegen warten musste, vergingen wie im Flug. Ich hatte schließlich eine Aufgabe mit meinem Training, während die Kinder immer noch das Gleiche tun.

Der Kollege kommt raus und bemerkt: „Das Wetter heute ist ja eine Katastrophe!”

Was für ein Blitzmerker. Mit meinen tränenden Augen und meiner roten Nase lade ich ihn auf einen Spaziergang ein. Wir gehen.

11:15 Uhr: Er fragt: „Wie lange machst Du das schon?”

Ich: „Ne Stunde oder so.”

Er: „Kommst Du Dir nicht vor wie ein Häftling, der im Innenhof Ausgang hat und im Kreis geht?”

Ich: „Nein, ich komme mir vor wie eine Profisportlerin, die sogar während ihres Jobs trainiert.”

Wir lachen und gehen gemeinsam weiter.

11:25 Uhr: Wir versuchen, kurz stehen zu bleiben. Geht nicht. Wir drohen zu erfrieren (nur gefühlt).

Schmuddelwetter: Jetzt reicht‘s

11:30 Uhr: Geschafffffffffffft! Wir stürmen rein. Mit „wir“ meine ich meinen Kollegen und ich. Die Kinder bleiben einfach draußen und tun weiterhin nichts Neues. Ich rufe laut, dass sie jetzt reinkommen müssen. „Müssen“… komisch, dass wir hier nicht von wollen reden. Widerwillig machen sich alle auf den Weg ins Gebäude. Alle Kinder lachen, alle sind glücklich über diesen Vormittag. Die leuchtende bunte Kleidung ist zumeist schwarz und die Kinder ebenfalls.

Ja, mein Vormittag war echt uncool, aber wenn ich ihn erstmal geschafft habe und in die glücklichen Kinderaugen sehe, siegt die Pädagogin in mir und ich bin auch glücklich.

Aber bitte lieber Wettergott: Morgen wieder Sonne und das Ganze nochmal in trocken und wärmer – danke!

Wie ertragt Ihr das Schmuddelwetter im Herbst und Winter? Wir möchten gern Eure Schlecht-Wetter-Storys hören, teilt sie auf unserem Instagram- oder Facebook-Kanal.