Kinder mit Nahrungsmittelallergien in der Kita – Interview mit Kristina Schmidt von allergo-logisch

Immer mehr Kinder haben Nahrungsmittelallergien. Eine Herausforderung für Eltern, Erzieherinnen und Erzieher. Denn im schlimmsten Fall kann das lebensbedrohlich werden. Wir haben Anaphylaxieberaterin Kristina Schmidt von allergo-logisch gefragt, auf was Erzieherinnen und Erzieher achten sollten und wie man sich auf den Ernstfall vorbereiten kann.

Hallo Kristina, vielleicht kannst Du Dich kurz vorstellen!

Ich bin Kristina Schmidt, Pädagogin, Anaphylaxietrainerin und Mutter eines Kindes mit hochgradigen Nahrungsmittelallergien und Anaphylaxie-Risiko. In meinem „ersten Leben“ war ich 17 Jahre lang Lehrerin, und seit 2017 bin ich selbstständig und unterstütze Familien, Kitas und Schulen mit anaphylaxiegefährdeten Kindern im Umgang mit Nahrungsmittelallergien und Anaphylaxie-Risiko.

Wie bist Du darauf gekommen Anaphylaxieberaterin zu werden?

Durch meinen Sohn und die Erfahrungen, die wir selbst machen mussten. Auch wenn „echte“ Nahrungsmittelallergien immer mehr zunehmen, besteht noch sehr viel Aufklärungsbedarf für einen angemessenen Umgang damit. Damit nicht jede Familie sich einzeln dadurch kämpfen muss, habe ich zunächst ab 2012 ein Online-Familien-Netzwerk und 2014 daraus einen Verein gegründet (Nuss/Anaphylaxie Netzwerk e.V.) und mich als Anaphylaxietrainerin weiterqualifiziert. Nach einigen Jahren ehrenamtlicher Arbeit wurden die Beratungsanfragen an mich immer mehr, insbesondere auch von Kitas und Schulen, so dass ich einen Beruf daraus gemacht habe.

Kristina Schmidt berät Eltern und Erzieher.

Was sind die besonderen Herausforderungen bei Kindern mit Lebensmittelallergien, die noch in der Kita sind?

Die grundsätzliche Herausforderung ist immer, eine gute Balance zwischen Vorsicht und Gelassenheit zu finden. Je jünger das betroffene Kind, umso mehr ist es darauf angewiesen, dass die Allergie in der Kita bekannt ist und ernstgenommen wird, damit es nicht versehentlich mit seinen Allergenen in Kontakt kommt oder diese verzehrt. Gleichzeitig sollen betroffene Kinder nicht ausgegrenzt werden, sondern möglichst normal an Mahlzeiten, Feiern, Ausflügen etc. teilhaben können. Allergene oder mögliche „Spuren“ davon verstecken sich leider in allen möglichen Lebensmitteln. Falls es tatsächlich zu einer Anaphylaxie kommt, müssen schnell die Notfallmedikamente verabreicht werden. Diese sind zwar für Laien gemacht, werfen aber bei Erzieherinnen und Erziehern verständlicherweise erstmal Fragen auf.

Was ist eine Anaphylaxie?

Eine Anaphylaxie ist die schwerste Form einer akuten allergischen Reaktion, die sich innerhalb weniger Minuten mit verschiedensten Symptomen am gesamten Körper entwickeln kann: Hautausschlag, Schwellungen, Bauchschmerzen, Erbrechen, Atemnot, Benommenheit, bis hin zu Bewusstlosigkeit und dem sogenannten anaphylaktischen Schock. Bei kleinen Kindern stellt vor allem die Atemnot ein Problem dar. Schwere oder gar tödliche Anaphylaxien sind zwar extrem selten, nur leider lässt sich zu Beginn einer Reaktion nicht vorhersagen, wie schwer sie verlaufen wird, so dass ein schnelles Gegensteuern mit den ärztlich verordneten Notfallmedikamenten bis zum Eintreffen des Notarztes notwendig ist.

Was ist ein Notfall-Set und dürfen Erzieher überhaupt Medikamente verabreichen?

Wenn eine Nahrungsmittelallergie mit Anaphylaxie-Risiko diagnostiziert wird, verordnet die Ärztin/der Arzt ein Notfallset mit 1-2 Adrenalin-Autoinjektoren sowie einem Antihistaminikum und Cortison als Tropfen, Saft und/oder Zäpfchen. Kinder mit Asthma in der Vorgeschichte haben zusätzlich ein Asthmaspray mit Inhalierhilfe dabei. Das schnellwirksamste und effektivste Medikament im Notfallset ist der Adrenalin-Autoinjektor, und leider führt die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Injektion handelt, häufig zu großer Verunsicherung und Hemmungen aus Angst, etwas falsch zu machen. Aber – und das ist die gute Nachricht: Man kann damit eigentlich nichts falsch machen, außer, ihn nicht zu geben! Die Handhabung ist leicht und für Laien gemacht, eine Falschdosierung ist ausgeschlossen. Da es sich um eine ärztlich verordnete Medikamentengabe mit Notfallplan handelt, sprechen wir von der sog. Erweiterten Ersten Hilfe. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat zur Medikamentengabe in der Kita eine sehr hilfreiche Broschüre (202-092) herausgegeben, in der unter dem Stichwort „Notfälle“ auch die schwere allergische Reaktion aufgeführt ist.

Du bietest Schulungen für Eltern, aber auch Erzieher und Lehrer an, wie läuft so eine Schulung ab?

Ja, im Idealfall sollten alle Betreuungspersonen an einer speziellen Anaphylaxieschulung teilnehmen, aber ich biete neben den Schulungen noch umfassende Schulungsmaterialien für Eltern an, mit denen sie die ErzieherInnen und LehrerInnen selbst schulen können. Meine Schulungen finden i.d.R. online per Videokonferenz statt und umfassen alles rund um die Erste Hilfe bei Anaphylaxie (Symptome, Wirkweise und Anwendung der Notfallmedikamente) sowie die Verhinderung von allergischen Reaktionen (Allergenkennzeichnung, Lebensmittelauswahl, Hygienemaßnahmen, Inklusion). Dazu gibt es neben theoretischem Input auch praktische Übungen (z.B. mit einem Trainer-Autoinjektor ohne Medikament und ohne Nadel). Speziell für ErzieherInnen und LehrerInnen geht es außerdem um die Abgrenzung von relevanten Nahrungsmittelallergien gegenüber anderen Unverträglichkeiten, sowie um die rechtlichen Fragen. Der Fokus liegt immer auf der praktischen Umsetzung im pädagogischen Alltag. Mein Ziel ist, dass am Ende jeder weiß, was zu tun ist, und niemand mehr Angst hat: die Eltern des betroffenen Kindes nicht vor der Kita-Zeit, und die ErzieherInnen nicht vor der Betreuung eines anaphylaxiegefährdeten Kindes!

Du bietest auch Schulungen für Kinder an. Ab welchem Alter sind diese geeignet und wie läuft eine solche Kinder-Schulung ab?

Meine Onlineschulungen starten mit den 4- bis 6-jährigen „Allergiemäusen“: In kleinen Gruppen stellen sie mit Hilfe meiner Handpuppen Ana, Phyl und ihrem Hund Laxie fest, dass sie mit ihrer Allergie nicht allein sind. Altersangemessen und spielerisch erkennen sie Anaphylaxie-Symptome, üben mit dem Trainerpen und lernen die Notfallnummer sowie einfache Allergen-Vermeidungsstrategien kennen. Mit zunehmendem Alter werden bei den „Spurendetektiven I und II“ die Übungen immer konkreter und differenzierter, bis hin zum Coaching für Jugendliche, die selbstständig mit dem Anaphylaxie-Risiko umgehen und ihr Umfeld darüber aufklären müssen.

Was rätst Du Erzieherinnen und Erziehern, die ein Kind mit Lebensmittelallergien haben?

Ich rate dazu, sich auf das Thema einzulassen, die Allergie ernstzunehmen, ohne sie überzudramatisieren oder zu bagatellisieren, und sich mit einfach umzusetzenden Maßnahmen im Kita-Alltag darauf einzustellen. Aufklärung und Kommunikation mit allen Beteiligten sind hier ein ganz wesentliche Schlüssel. Wie gesagt: Es ist ein Balanceakt, aber es ist gut machbar!

Vielen Dank an Kristina für dieses Gespräch.

Weitere Informationen zu Kristina Schmidt und alle Angebote findet Ihr auf ihrer Webseite: https://www.allergo-logisch.de/

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