Bilingualer Kindergarten – Prinzip der Zweisprachigkeit

Bilingualer Kindergarten – was macht dieses Konzept eigentlich aus? In Zeiten von sehr unterschiedlichen Kita-Konzepten und Erziehungsmodellen solltet Ihr Euch auch einmal mit dem Prinzip der Zweisprachigkeit als Leitmotiv von pädagogischer Arbeit befassen. Dabei kommen schnell Fragen auf wie: Was steckt dahinter? Aus welchen Gründen entscheidet man sich für so ein Konzept und wie gut ist es wirklich für die Entwicklung der Kinder? Viele aufschlussreiche Antworten findet Ihr in diesem Artikel.

Was genau ist ein bilingualer Kindergarten?

Ein bilingualer Kindergarten ist eine Einrichtung, in der Kinder in 2 Sprachen betreut, begleitet und erzogen werden. Beide Sprachen gelten als „Hauptsprachen”, die im Kita-Alltag gleichermaßen Verwendung finden. Die genaue Ausgestaltung variiert jedoch je nach Kindergarten.

Der Zweck eines bilingualen Kindergartens besteht darin, den Kindern eine frühe und umfassende Begegnung mit 2 Sprachen zu bieten. Dies soll dazu beitragen, dass sie in beiden Sprachen kommunikativ kompetent werden. Oftmals wird eine der beiden Sprachen als Muttersprache der Kinder betrachtet, während die andere Sprache als Fremdsprache oder Zweitsprache eingeführt wird.

Ziel ist es, den Kindern ein gleichwertiges Sprachniveau in beiden Sprachen zu vermitteln und ihre Fähigkeiten in den Bereichen Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen gleichwertig zu entwickeln.

Bilingualer Kindergarten mit besonderen Erziehern

Das Konzept des bilingualen Kindergartens setzt insbesondere auf zweisprachige Lehrkräfte und auf speziell entwickelte Lehrmaterialien und pädagogische Ansätze. Die Vorteile eines bilingualen Kindergartens liegen darin, dass die Kinder frühzeitig interkulturelle Erfahrungen machen, ihre kognitiven Fähigkeiten verbessern und eine erhöhte Flexibilität im Umgang mit verschiedenen Sprachen und Kulturen entwickeln können. Bilinguale Kindergärten sind oft in internationalen Umfeldern wie Großstädten anzutreffen oder in Ländern, in denen mehrere Amtssprachen existieren.

Aus welchen Gründen entscheiden sich Eltern für das Konzept des bilingualen Kindergartens?

Die Entscheidung für einen bilingualen Kindergarten hängt oft von den individuellen Werten, Zielen und kulturellen Hintergründen der Eltern ab. Deshalb unterscheiden sich die Gründe von Familie zu Familie. Wir haben hier für Euch 5 mögliche Gründe zusammengefasst:

  1. Sprachliche Entwicklung: Eltern möchten, dass ihre Kinder frühzeitig eine 2. Sprache erlernen und bilingual aufwachsen. Die Exposition gegenüber einer anderen Sprache im Kindergartenalter kann die sprachliche Entwicklung verbessern und dazu beitragen, dass Kinder gleich 2 Sprachen fließend sprechen und verstehen.
  2. Kulturelles Verständnis: Ein bilingualer Kindergarten bietet den Kindern die Möglichkeit, frühzeitig interkulturelle Erfahrungen zu machen und verschiedene kulturelle Perspektiven kennenzulernen. Dies fördert das Verständnis und die Toleranz gegenüber anderen Kulturen.
  3. Berufliche Vorteile: Eltern erkennen, dass zweisprachige Fähigkeiten in einer globalisierten Welt immer wichtiger werden. Sie erhoffen sich, dass ihre Kinder durch den Besuch eines bilingualen Kindergartens später bessere Berufschancen haben werden.
  4. Familiäre Hintergründe: Manchmal entscheiden sich Eltern für einen bilingualen Kindergarten, um die Sprache und Kultur ihrer eigenen Herkunft zu bewahren und an ihre Kinder weiterzugeben. Dies ist besonders relevant, wenn eine Familie in einem fremdsprachigen Land lebt und die Kinder die Sprache ihrer Vorfahren erlernen sollen. Eventuell kommen die Eltern auch aus 2 verschiedenen Ländern und das Kind soll beide Muttersprachen beherrschen können.
  5. Frühe Mehrsprachigkeit: Forschungsergebnisse zeigen, dass Kinder, die frühzeitig mit mehreren Sprachen in Berührung kommen, langfristige kognitive Vorteile haben können. Ein bilingualer Kindergarten bietet eine optimale Umgebung für eine frühe Mehrsprachigkeit und kann die kognitiven Fähigkeiten, wie z. B. das Problemlösen oder das Arbeitsgedächtnis der Kinder stärken.

Förderung der sprachlichen Entwicklung im bilingualen Kindergarten

Es lohnt sich auf den 1. Grund unserer Auflistung genauer einzugehen. So gibt es die weitläufige Meinung, dass sich das Erlernen von Sprachen in den frühen Jahren des Lebens sehr viel einfacher gestaltet als im Erwachsenenalter. Angeblich erlernen Kinder die Sprache ganz nebenbei, ohne zu merken, dass es sich um eine andere Sprache als die Muttersprache handelt. Doch ist das wirklich so? Ist an dieser bekannten Meinung was dran?

Tatsächlich! Kinder haben in der Regel eine größere Fähigkeit, Sprachen zu erlernen, als Erwachsene. Es wird allgemein angenommen, dass Kinder in den frühen Lebensjahren eine natürliche Neigung und ein Talent dafür haben, neue Sprachen zu erlernen. Es gibt mehrere Ursachen dafür, warum Kinder Sprachen leichter erlernen können.

Was erleichtert Kindern das Sprachen lernen?

  1. Neuroplastizität: Das kindliche Gehirn ist in den ersten Lebensjahren äußerst flexibel und anpassungsfähig. Diese Eigenschaft wird als Neuroplastizität bezeichnet. Das Gehirn von Kindern ist besser in der Lage, neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen herzustellen, was das Erlernen von Sprachen erleichtert.
  2. Aussprache und Intonation: Kinder haben die Fähigkeit, Laute, Intonation und die Betonung einer Sprache viel genauer nachzuahmen als Erwachsene. Sie sind empfänglicher für die Feinheiten der Aussprache und können dadurch die korrekte Aussprache schneller erlernen.
  3. Sprachliche Sensibilität: Kinder sind von Natur aus sprachliche Wesen. Sie nehmen die Sprache als grundlegendes Mittel zur Kommunikation wahr und sind daher besonders empfänglich für den Erwerb von Sprachstrukturen und Vokabular.
  4. Immersive Umgebung: Kinder lernen eine Sprache am effektivsten, wenn sie in einer immersiven Umgebung sind, in der die Sprache täglich gehört und gesprochen wird. Sie können von einem konstanten Input profitieren, sei es in Form von Muttersprachlern oder durch den Besuch eines bilingualen Kindergartens.
  5. Geringere Hemmungen: Kinder haben oft weniger Hemmungen, eine neue Sprache auszuprobieren und Fehler zu machen. Sie sind weniger besorgt über mögliche Fehler, was es ihnen ermöglicht, schneller zu lernen und ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern.

Bilingualer Kindergarten: Neue Sprachen schneller verstehen

Obwohl Kinder generell einen Vorteil beim Sprachenlernen haben, bedeutet dies nicht, dass Erwachsene nicht in der Lage sind, eine neue Sprache zu erlernen. Erwachsene verfügen über andere kognitive Fähigkeiten und Ressourcen, die ihnen beim Sprachenlernen helfen können. Dazu gehören eine stärkere Fähigkeit zur Analyse, eine bewusstere Herangehensweise an das Lernen und ein größeres Hintergrundwissen über die Welt, das als Grundlage für das Erlernen einer neuen Sprache dienen kann.

Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass das Alter eine Rolle spielt. Je älter eine Person ist, desto mehr Mühe und Zeit kann es erfordern, eine neue Sprache zu erlernen, insbesondere wenn sie sich stark von der Muttersprache unterscheidet. Dennoch können Erwachsene durchaus erfolgreich eine neue Sprache erlernen, wenn sie die Motivation, das Engagement und die richtigen Lernstrategien aufbringen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Kinder in der Regel eine größere Fähigkeit haben, Sprachen zu lernen als Erwachsene. Ihr flexibles Gehirn, ihre sprachliche Sensibilität und ihre Immersionsmöglichkeiten geben ihnen den Vorteil, Sprachen leichter und natürlicher zu erlernen. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass das Sprachenlernen für Menschen jeden Alters möglich ist, wenn sie die entsprechende Motivation und die richtigen Lernmethoden anwenden.

Bietet die bilinguale Erziehung in der Kita für die Kinder nur Vorteile?

Die Antwort lautet hier klar: nein. Die Vorteile haben wir bereits ausgiebig erläutert und sicherlich scheint es reizvoll zu sein, das Kind bilingual zu erziehen bzw. sich als Eltern für eine bilinguale Kita zu entscheiden – mit dem Hintergedanken: Das Kind lernt spielerisch, ganz nebenbei eine 2. Sprache zur Muttersprache. Daraus folgt, dass es später Vorteile im Berufsleben hat, die sprachlichen Kompetenzen verbessert werden, kognitive Vorteile und das interkulturelle Verständnis erarbeitet werden und eventuell beim Kind noch ein flexibleres Denken entsteht. Soweit die schöne Theorie, aber es gibt durchaus auch Nachteile, die auftreten könnten, weshalb man sie vor der Entscheidung beachten sollte.

5 Nachteile einer bilingualen Erziehung im Kindergarten

  1. Sprachliche Herausforderungen: Ein bilingualer Kindergarten kann für manche Kinder sprachliche Herausforderungen mit sich bringen. Sie müssen sich an 2 Sprachen anpassen und möglicherweise mit Verwirrung oder Anfangsschwierigkeiten konfrontiert werden.
  2. Ressourcen und Verfügbarkeit: Bilinguale Kindergärten sind nicht überall verfügbar. Es kann schwierig sein, einen qualitativ hochwertigen bilingualen Kindergarten zu finden, insbesondere in ländlichen oder weniger sprachlich vielfältigen Gebieten.
  3. Potenzielle Überforderung: Einige Kinder könnten Schwierigkeiten haben, mit dem erhöhten Sprachinput im bilingualen Kindergarten Schritt zu halten. Der zusätzliche Sprachgebrauch und die Anforderungen beider Sprachen können eine Belastung für sie darstellen.
  4. Begrenzte soziale Integration: In einem bilingualen Kindergarten könnten Kinder möglicherweise weniger Kontakt zu Gleichaltrigen haben, die nur eine Sprache sprechen. Dies könnte die soziale Integration in bestimmten Kontexten beeinflussen.
  5. Akademische Anforderungen: Bilinguale Kindergärten können höhere akademische Anforderungen stellen, um sicherzugehen, dass die Kinder in beiden Sprachen Fortschritte machen. Dies kann bei einigen Kindern zu zusätzlichem Druck und Stress führen.

Natürlich ist ganz klar anzumerken, dass die Vor- und Nachteile eines bilingualen Kindergartens von individuellen Umständen und Präferenzen abhängen. Jede Familie sollte ihre spezifischen Bedürfnisse, Werte und Ziele berücksichtigen, um eine informierte Entscheidung zu treffen.

Um einen kleinen Einblick in einen bilingualen Kindergarten zu bekommen, haben wir hier für Euch einen möglichen Ablauf, wie ein Tag in einem bilingualen Kindergarten aussehen könnte:

Ein Beispieltag in einer bilingualen Kita könnte wie folgt ablaufen:

8:00 Uhr: Ankunft und Begrüßung der Kinder und Eltern in beiden Sprachen (z. B. Deutsch und Englisch). Die Kinder hängen ihre Jacken auf und gehen in den gemeinsamen Spielbereich.

8:15 Uhr: Morgenkreis, bei dem die Erzieherin den Tag und die geplanten Aktivitäten auf Deutsch und Englisch bespricht. Die Kinder singen gemeinsam Lieder und spielen Sprachspiele in beiden Sprachen, um ihren Wortschatz zu erweitern.

8:30 Uhr: Freispielzeit, bei der die Kinder verschiedene Aktivitäten wählen können. Es gibt verschiedene Spielmöglichkeiten wie Bauklötze, Puzzles, Malen, kreatives Gestalten und eine Leseecke. Die Kinder können frei entscheiden, womit sie sich beschäftigen. Gesprochen wird hier intuitiv, meist in beiden Sprachen. Die Erzieher unterstützen die Kinder und sprechen dabei ebenfalls beide Sprachen.

9:00 Uhr: Frühstück, bei dem Kindern gesunde Snacks angeboten werden. Die Erzieherinnen nutzen diese Zeit, um mit den Kindern über Essen und Tischmanieren zu sprechen, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.

10:00 Uhr: Gartenzeit, bei der die Kids nach draußen gehen und auf dem Spielplatz spielen. Die Erzieher begleiten die Kinder und führen Gespräche über ihre Aktivitäten und das Spiel in beiden Sprachen.

10:30 Uhr: Gruppenaktivität, bei der die Kinder in kleinere Gruppen aufgeteilt werden. Jede Gruppe hat eine Erzieherin, die mit den Kindern spielerisch verschiedene Aktivitäten durchführt, die auf bestimmte Lernziele ausgerichtet sind, wie z. B. Zahlen, Farben oder Formen. Hier gibt es sprachspezifische Gruppen. Während eine Kleingruppe also in Englisch redet, spricht die andere bei der Aktivität Deutsch.

12:00 Uhr: Gemeinsames Mittagessen, bei dem den Kindern eine ausgewogene Mahlzeit serviert wird. Die Erzieher ermutigen die Kinder, in beiden Sprachen über ihr Essen zu sprechen und gute Essgewohnheiten zu entwickeln.

13:00 Uhr: Ruhezeit, bei der die Kinder eine Pause machen und sich ausruhen. Es werden Geschichten vorgelesen oder leise Musik gespielt, um eine ruhige Atmosphäre zu schaffen. Die Sprache dieser Aktivität wechselt täglich.

14:00 Uhr: Nachmittagsaktivitäten, die je nach Tag variieren. Es können Musik- oder Tanzstunden, naturwissenschaftliche Experimente oder handwerkliche Projekte sein. Die Erzieher erklären die Aktivitäten und leiten die Kinder an, während sie beide Sprachen verwenden.

15:00 Uhr: Nachmittagssnack und freies Spiel, bei dem die Kinder eine weitere Gelegenheit haben, in verschiedenen Spielbereichen zu spielen und ihre sozialen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

16:30 Uhr: Abschlusskreis, bei dem die Erzieherinnen den Tag reflektieren und den Kindern eine Zusammenfassung der Aktivitäten geben. Die Kinder verabschieden sich voneinander und bereiten sich auf die Abholung vor.

17:00 Uhr: Ende des Kindergartentages, wenn die Eltern ihre Kinder abholen. Die Erzieherinnen stehen für ein kurzes Gespräch zur Verfügung und geben den Eltern Informationen über den Tag.

Dies ist nur ein Beispiel für einen Tag in einer bilingualen Kita. Die genaue Gestaltung und Aktivitäten können je nach Kindergarten variieren. Das Ziel ist jedoch immer, den Kindern eine gleichberechtigte Erfahrung in beiden Sprachen zu bieten. 

In einer bilingualen Kita bewerben

Habt Ihr Lust, in einer bilingualen Kita zu arbeiten? Laut Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen gibt es in Deutschland aktuell etwa 1.200 bilinguale Kitas. 2014 gab es 1.035, 2004 waren es gerade einmal 340. Die Zweisprachigkeit liegt also im Aufwärtstrend und wird sich in Zukunft möglicherweise noch mehr etablieren. Daraus ergibt sich ein interessantes Arbeitsumfeld.

Je nach Konzept ist es nicht unbedingt nötig, dass Ihr beide Sprachen perfekt sprecht. Es kann beispielsweise sein, dass bestimmte Fachkräfte mit den Kindern NUR auf Englisch oder Spanisch sprechen, während andere Mitarbeiterinnen für Deutsch zuständig sind. Damit Ihr Euch mit allen Kollegen in einem so internationalen Umfeld gut austauschen könnt, ist es jedoch von großem Vorteil, wenn Ihr beide Sprachen zumindest ansatzweise versteht. Andernfalls könnte es auch zu Missverständnissen mit den fremdsprachigen Kindern und deren Eltern kommen. Interesse an Sprachförderung ist bei der Bewerbung von großem Vorteil. Es sollte Euch daran gelegen sein, dass die Kinder – egal welcher Herkunft und Familiensprache – durch die pädagogische Arbeit gleiche Bildungschancen erhalten.

Unser Fazit:

Das Konzept eines bilingualen Kindergartens ist durchaus spannend und es ist lohnenswert, sich damit genauer auseinanderzusetzen – egal, ob Ihr dort selbst arbeiten möchtet oder überlegt, Euer Kind in eine solche Einrichtung zu geben.

Was haltet Ihr vom bilingualen Kindergarten? Super-Konzept oder zu viel Input für die meisten Kinder? Arbeitet Ihr vielleicht in einer solchen Einrichtung? Schreibt uns Eure Meinung und Erfahrungen auf Instagram- oder Facebook!

Von Manuela

Manuela kann als Erzieherin sehr gut mit Kindern, aber auch mit Texten.

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